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    Börse versus Casino – sind Aktien Glücksspiel?

    „Aktien sind doch reines Glücksspiel – Die Börse ist ein Casino“ – das habt Ihr doch sicher auch schon mal so oder so ähnlich von Bekannten gehört, die nicht an der Börse aktiv sind oder die Geld an der Börse verloren haben. Und ja, Geld anlegen an der Börse kann Glücksspiel sein, muss es aber nicht. In diesem Beitrag zeige ich Euch beide Seiten der Medaille.

    Schauen wir uns zunächst mal das Glücksspiel etwas genauer an, damit wir wissen, welche Charakteristika es hat, und womit wir das Aktieninvestment nachher vergleichen. Beim europäischen Roulett gibt es beispielsweise 36 Fächer mit der Nummer 1 bis 36 und die Null, also 37 Fächer in Summe. Die Hälfte der nummerierten Fächer sind rot, die andere Hälfte ist schwarz. Betrachten wir nun zwei Varianten zu setzen:
    1. Setzen auf eine Zahl: Die Wahrscheinlichkeit, dass genau eine Zahl getroffen wird, ist bei einem guten (nicht manipulierten) Rouletttisch eins zu 37. Der Spieler bekommt als Gewinn für einen Euro Einsatz 36 Euro zurück bezahlt. Damit beträgt die durchschnittliche zu erwartende Rückzahlung pro einen Euro Einsatz 1/37stel x 36 Euro = 0,973 Euro.
    2. Setzen auf rot oder schwarz: Liegt man richtig, bekommt man für einen Euro Einsatz zwei Euro zurück. Die Wahrscheinlichkeit, richtig zu liegen, beträgt hier 18 zu 37. Damit beträgt die durchschnittliche zu erwartende Rückzahlung pro einen Euro Einsatz 18/37stel x 2 Euro = 0,973 Euro.

    Es gibt natürlich noch weitere Varianten, aber wir sehen, es läuft immer auf eine durchschnittlich erwartete Rückzahlung von 0,973 Euro je einen Euro Einsatz raus. Langfristig ein Geschäft, bei dem nur das Casino gewinnt. Wie sieht es bei anderen Glücksspielen aus. Nehmen wir mal das beliebte Lotto: Hier ist es einfach und doch wieder nicht ganz so einfach. Grob betrachtet ist es ganz einfach: Die Hälfte der Einnahmen aus dem Verkauf der Lotterielose kommt zur Auszahlung. Damit ist langfristig die Gewinnwahrscheinlichkeit bei rund 50 Prozent. Allerdings baut sich hin und wieder ein Jackpot auf, so dass diese auch höher sein kann. Aber 50 Prozent ist schon mal ein schöner Anhaltspunkt. Wir sehen: Casino ist schon mal wesentlich besser als das so harmlos klingende Lotto.

    Doch wie sieht es nun bei Aktien aus. Dazu erst mal eine Überschlags-Überlegung für kurze Zeiträume: Ob eine Aktie an einem Tag steigt, oder fällt, lässt sich auf einen Tag oder auch auf eine Woche so gut wie nicht vorhersagen. Die Wahrscheinlichkeit ist also mehr oder minder 50/50 oder in Erwartungswerten ausgedrückt: Wer einen Euro einsetzt, sollte auch einen zurück bekommen. Aber das ist die Betrachtung ohne Spread und ohne Transaktionskosten. Kommen diese noch hinzu, sieht es schon deutlich schlechter aus.

    Und bei einer einzelnen Aktie kann viel passieren: Von der Nachricht über die Insolvenz bis hin zu einem Übernahmeangebot, um es mal überspitzt zu formulieren. Aus diesem Grund rät auch kein seriöser Anlageberater alle auf eine Aktie zu setzen. Vielmehr ist Diversifikation, also die Streuung des Anlagekapitals auf Aktien aus verschiedenen Ländern, Branchen und Unternehmen ganz wichtig. Es dürfen keine Klumpen entstehen. Am einfachsten geht das mit ETFs auf große, breit gestreute Indizes. Der MSCI World ist so eine Index. Er spiegelt die Kursentwicklung von rund 1.600 Firmen aus den etablierten Märkten wider.

    Wir sehen also, die Schwankung einer Aktie an einem Tag ist recht nahe am Casino. Das mit der einen Aktie haben wir über ETFs gelöst. Nun geht es daran, die zeitliche Komponente zu verbessern. Auf Sicht von Jahrzehnten ergibt sich für Aktien, gemessen am MSCI World, eine Rendite-Erwartung von rund 7,5 Prozent pro Jahr. Bei rund 250 Börsenhandelstagen pro Jahr bedeutet dies im Schnitt rund 0,03 Prozent plus pro Tag. In der Praxis gibt es diesen Aufschlag natürlich nicht täglich, sondern es geht wild auf und ab, aber langfristig ist die Chance auf steigende Kurse doch etwas höher als auf fallende Kurse (unter anderem wegen Wirtschaftswachstum und Inflation). Damit ergibt sich selbst bei kurzfristigem Trading in der Theorie ein leicht positiver Erwartungswert, aber: In der Praxis kommt noch der Spread und die Transaktionskosten hinzu, so dass sowohl auf Tages- als auch auf Wochensicht kein wirklich positiver Erwartungswert besteht. Hier ist Börse also wie Casino!

    Weiten wir nun aber mal den Anlage- und Betrachtungszeitraum etwas aus: Christian W. Röhl von Dividendenadel.de hat vor zwei Jahren mal eine sehr schöne Auswertung gemacht. Er hat die Rendite pro Jahr des MSCI World für verschiedene rollierende Zeiträume errechnet. Dabei zeigen sich mehrere interessante Ergebnisse: Zum einen nähert sich mit einer Zunahme des Anlagehorizontes die erzielte Jährliche Rendite immer mehr dem mittleren Ergebnis an. Und dieses Ergebnis ist deutlich positiv! Das bedeutet – verglichen mit dem Glücksspiel agieren wir hier in einem Umfeld, in dem für jeden Euro auf lange Sicht mehr als ein Euro rauskommt.

    Quelle: www.dividendenadel.de

    Weiteres Ergebnis: Schon bei rollierenden 1-Jahres-Perioden wurde in 69 Prozent der Fälle Gewinn erzielt – und der Gewinn war auch noch größer als der durchschnittliche Verlust (grüner Balken höher als der rote). Also schon bei den Einjahresrenditen sehen wir: Wir machen häufiger Gewinn als im Casino, und wenn wir Gewinn erzielen, ist er auch noch größer als die durchschnittlichen Verluste! Legen wir noch länger an, wird das Ergebnis noch besser: Sämtliche rollierenden Perioden, die 14 Jahre oder länger waren, haben alle einen Gewinn gebracht. Das ist nun keine Garantie für einen Gewinn, denn was in der Vergangenheit war, muss in der Zukunft nicht so kommen, aber die Wahrscheinlichkeit ist extrem hoch!

    Quelle: www.dividendenadel.de
    Je länger man anlegt, desto wahrscheinlicher wird ein Ertrag von rund 8 Prozent pro Jahr.

    Meist hat man das Geld ja nicht alles auf einmal zu Verfügung, um es anzulegen, sondern man investiert nach und nach. Am einfachsten geht das über einen Sparplan. Christian W. Röhl von Dividendenadel.de hat hierfür die jährigen Renditen ausgerechnet und zwar inklusive einer kalkulatorischen Gebühr. Es zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den rollierenden Renditen. Aber besonders krass wird der Vergleich mit dem Casino: Hätte man diesen Betrag statt in den Sparplan zu stecken Monat für Monat ins Casino gebracht, so wäre man heute ein armer Mann.

    Wir sehen also, es gibt drei wesentliche Faktoren, die ein Investment an der Börse ganz klar von Glücksspiel und Casino abgrenzen: Diversifikation, also die Streuung des Investments, regelmäßige Einzahlungen (quasi die Diversifikation der Einzahlungszeitpunkte) und der Anlagehorizont (je länger, desto besser).

    Teilt diesen Beitrag bitte weiter, wenn Euch das nächste Mal jemand erzählt, dass Börse doch nur Glücksspiel wäre! Börse kann Glücksspiel sein, aber nun wisst Ihr, worauf es ankommt, dass Aktien ein richtig starkes Investment und keine Zockerei sind!

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