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    Der größte Fehler, den Investoren begehen – so vermeidet Ihr ihn

    Die Kurse an den meisten Börsen stehen wieder mal auf Allzeithochs. Doch gerade jetzt begehen viele Anleger einen Denkfehler, der sie schon bald teuer zu stehen kommen könnte. Wie Ihr diesen Denkfehler vermeidet und welche Tricks dabei helfen, verrate ich Euch in diesem Beitrag.

    Als es in den vergangenen Wochen und Monaten immer mal wieder schwache Tage oder Phasen gab, kam in Foren und Gruppen immer wieder die ähnliche Frage zu verschiedenen Aktien auf: „Bin mit der xy-Aktie 15 Prozent im Minus, ich überlege zu verkaufen und die Verluste zu begrenzen. Was meint Ihr?“. Ihr werdet jetzt vielleicht staunen, aber ich bin der Überzeugung, auf diese Frage gibt es keine richtige Antwort, sondern eigentlich nur eine Gegenfrage: „Bist Du Trader oder Investor?“. Für den Trader ist es elementar, seine Verluste zu begrenzen. Allerdings sollte sein Setup klar sein, bevor er einen Trade eingeht. Aber um Trader soll es hier nicht gehen.

    Die Frage nach der Verlustbegrenzung kam von vielen Investoren. Immer wieder habe ich bei der Diskussion dann einen elementaren Punkt festgestellt, den diese Investoren beim Kauf bereits falsch gemacht haben. Sie haben sich wie ein Trader verhalten und nur den Kurs gesehen. Aber als Investor sollte uns der Kurs nur zu zwei Zeitpunkten interessieren: Zum Kauf – da ist es der Preis, den wir für einen Unternehmensanteil bezahlen und zum Verkauf (in einigen Jahren und Jahrzehnten, wenn es überhaupt denn dazu kommt): Dann ist es der Preis, den wir für unseren Unternehmensanteil bekommen. Mit dem Kauf einer Aktie erwerben wir einen Anteil an einem Unternehmen. Und genau das gilt es zu verinnerlichen, wenn Ihr langfristig investieren möchtet. Ihr kauft und besitzt Unternehmensanteile.

    In den letzten Jahren habe ich einige Kniffe verwendet, um diesen Punkt immer stärker zu verinnerlichen und damit bei Kursrückgängen nicht in Panik zu geraten, sondern stur weiter investiert zu bleiben und weiter zuzukaufen. Die grundlegende Basis dieser Kniffe ist der Gedankengang, dass jeder Aktie ein kleiner Anteil am Gesamtunternehmen ist, ein kleines Kuchenstück vom großen Kuchen. Kniff Nummer 1 besteht nun darin, das auch so zu betrachten. Nehmen wir mal Adidas als Beispiel.

    Jahre20202021e2022e2023e
    Umsatz in Mrd. Euro19,821,723,825,9
    EBIT in Mrd. Euro0,82,12,73,2
    Nettogewinn in Mrd. Euro0,41,51,92,2
    Anzahl der Aktien in Millionen195,0195,0195,0195,0
    Umsatz je Aktie in Euro101,5111,3122,1132,8
    Gewinn je Aktie in Euro2,217,569,8211,6
    Umsatz je 10 Aktien in Euro1.0151.1131.2211.328
    Gewinn je 10 Aktien in Euro22,175,698,2116,0
    e = erwartet, teils eigene Berechnungen, Quelle der Daten und Prognosen: https://www.marketscreener.com/quote/stock/ADIDAS-AG-6714534/financials/

    Wir sehen also: Pro Aktie erzielte Adidas im vergangenen Jahr einen Umsatz von 101,50 Euro. Wenn wir nun eine Position von 10 Adidas-Aktien, die aktuell 309,50 Euro kosten, besitzen, dann macht das aktuell einen Börsenwert von 3.095 Euro. Unser Anteil am Adidas-Umsatz und Gewinn im vergangen Jahr betrug also 1.015 Euro (Umsatz) und 22,10 Euro (Gewinn). Für dieses Jahr wird erwartet, dass wir mit unserem Anteil 1.113 Euro Umsatz und 75,60 Euro Gewinn erzielen.

    Quizfrage: Wie hoch war der Umsatz unseres Adidas-Paketes Anfang Mai als der Aktienkurs bei 260 Euro stand? Richtig: 1.015 Euro für 2020 und geschätzte 1.113 Euro für 2021. Welchen Grund sollte es als Investor also geben bei 260 Euro die Adidas-Aktie zu verkaufen? Keinen. Das einzige, was Ihr berücksichtigen solltet, ist die Veränderung der Anzahl der ausstehenden Aktien. Durch Kapitalerhöhungen haben viele Firmen die Aktien verwässert und durch Aktienrückkäufe steigern Firmen wie Apple beispielsweise die Kennzahlen je Aktie, obwohl sich in der Gesamtfirma Umsatz und Ertrag nur geringfügig steigern. Nachdem Apple in den vergangenen Jahren bereits rund eine Milliarde Aktien pro Jahr zurückgekauft hat, wurden auch dieses Jahr schon wieder 0,4 Milliarden Papiere zurückgekauft. So kann der Gewinn je Aktie steigen, ohne dass beispielsweise das EBIT steigt.

    Jahr20202021e2022e2023e
    Umsatz in Mrd. US-$274,5354,2368,1384,4
    EBIT in Mrd. US-$66,3101,4101,6102,5
    Anzahl Aktien in Mrd. Stück17,116,7??
    Umsatz je Aktie in US-$16,121,2??
    Gewinn je Aktie in US-$3,285,165,305,48
    e = erwartet, Quelle der Daten und Prognosen: https://www.marketscreener.com/quote/stock/APPLE-INC-4849/financials/

    Unser Fokus als Investoren sollte darauf liegen, Firmen mit steigenden Umsätzen und Erträgen bei gleichzeitig vernünftigen Bewertungen zu finden. Bei Gesellschaften wie Apple oder auch einer Unilever ist das sicher viel einfacher, da die Entwicklung kontinuierlicher ist als bei vielen zyklischen oder im Umbruch befindlichen Firmen aus dem Bereich Luftfahrt oder Automobilbau. Und je besser Ihr Euch mit dem Unternehmen beschäftigt und je längerfristig Ihr denkt, desto wahrscheinlicher ist es, dass Ihr bei einem Kursrutsch cool bleibt. Denn Ihr wisst: Euer Unternehmensanteil hat sich nicht verändert, nur das Preisschild. Und wenn Ihr dann von verschiedenen Gesellschaften jeweils ein Kuchenstück zusammen habt, dann hab Ihr am Ende einen wunderbaren Kuchenteller.

    Kniff Nummer 2 geht in die ähnliche Richtung und ich wende den gerne bei meinen Investments in Small und Micro Caps an: Ich rechne mir den prozentualen Anteil aus, den ich an einem Unternehmen halte. Wenn eine Firma also beispielsweise eine Million Aktien ausstehen hat und Ihr habt 100 Aktien, dann gehört Euch 0,01 Prozent der Firma. Das ist zwar noch nicht viel, aber es ändert die Denkweise Richtung Investor. Ein Großaktionär würde nie darauf kommen, jeden Tag auf den Börsenkurs zu schauen und dann zu rechnen, wie viel ärmer oder reicher er geworden ist. Vielmehr sieht er seinen Anteil und hat vielleicht auch Ziele, diesen Anteil in naher Zukunft zu steigern.

    Das Ausrechnen in Prozenten geht natürlich gerade noch bei Small und Micro-Caps, bei Mega-Caps wie Apple oder Adidas sind da viele Nullen nach dem Komma, bis was kommt. Aber auch hier gibt es einen Trick: ppm (parts per million) oder ppb (parts per billion) – also Anteile pro Million oder Milliarde. Adidas hat 195 Millionen Aktien ausstehen. Wenn Ihr dann 195 Adidas Aktien habt, habt Ihr 1 ppm. Die oben erwähnten 10 Adidas-Aktien machen also 10/195 = 0,051 ppm oder 51 ppb aus. Wenn Ihr dann einen Sparplan habt, macht es Spaß zu sehen, wie über die Zeit die ppm oder ppb steigen. Die Angabe ppm und ppb ist nichts anders als in Prozent, aber mit nicht ganz so vielen Nullen, es wirkt nicht ganz so winzig. Ihr seht also nach und nach, wie Ihr mehr Anteil an den Firmen bekommt. Das drängt die kurzfristigen Preisschwankungen an der Börse mehr und mehr in den Hintergrund. Denke in Anteilen statt in Geldeinheiten!

    Kniff Nummer 3 ist für Investoren interessant, deren Fokus auf einem passiven Einkommen, sprich bei Aktien vor allem auf Dividenden liegt. Seit Jahren notiere ich mir am Ende des Jahres die Summe der eingenommenen Dividenden. Viele Blogger und Instagramer machen es sogar monatlich. Und auch das ist ein Trick, sich zu beruhigen und die Kursschwankungen leichter zu ertragen. Einzig darf man hier nicht den Fehler machen, dass man nur auf die Dividende schaut und dabei die Qualität des Unternehmens vernachlässigt oder deshalb Wachstumsunternehmen komplett außen vor lässt. Genau wie bei der Betrachtung des prozentualen Anteils gilt: Qualität und Diversifikation gehen vor – die Kniffe sind nur Hilfsmittel mehr unternehmerisch zu denken.

    Ich habe bei mir in den letzten Jahren und Jahrzehnten festgestellt, dass mein Blick durch diese Denkweisen viel langfristiger geworden ist. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass sich Kursgewinne und damit Rückschlagpuffer aufbauen. Man wird ruhiger als Investor und damit erfolgreicher.

    Bild von Wolfgang Eckert auf Pixabay

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