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    WisdomTree Europe Defence – ein sinnvoller Themen-ETF?

    575 Millionen Euro Mittelzuflüsse in knapp drei Wochen nach Emission, das hat bisher kaum ein neuer ETF geschafft. In Scharen kaufen Anleger den WisdomTree Europe Defence ETF. Europa muss seine Verteidigung neu aufstellen und aufrüsten. Aber sind deshalb automatisch Rüstungsaktien und damit der ETF ein Kauf? Ich nehme den ETF unter die Lupe und erkläre Euch, worauf Ihr bei solchen Hypes und Themen-ETFs achten müsst.

    Seit der klaren Ansage aus den USA und der im Anschluss an die Bundestagswahl beschlossenen Investitionspaketen für Infrastruktur und Verteidigung setzen breite Anlegerschichten auf Rüstungsaktien. Kurse von Branchengrößen wie Rheinmetall haben in den letzten Wochen reihenweise neue Rekordstände erreicht. Marktenge Firmen wie etwa Steyr Motors kletterten zeitweise um mehr als 2.000 Prozent, bevor die Rallye in sich zusammenfiel. Ausgelöst wurde der Boom durch eine gigantische Nachfrage nach europäischen Rüstungsaktien. Besonders eindrucksvoll abzulesen ist das an den Mittelzuflüssen des erst am 4. März 2025 aufgelegten WisdomTree Europe Defence UCITS ETF (ISIN IE0002Y8CX98, keine Anlageberatung). In nur 22 Kalendertagen flossen 575 Millionen Euro in den neuen ETF. In einigen Facebook-Gruppen kommen nahezu im Stundentakt Anfragen, vornehmlich von relativ unerfahrenen Anlegern, wie dieser ETF einzuschätzen ist.

    Der WisdomTree Europe Defence ETF im Portrait

    Schauen wir uns zunächst einmal den WisdomTree Europe Defence UCITS ETF im Detail an. Der ETF investiert in europäische Unternehmen im Verteidigungssektor. Dabei wird versucht, „Unternehmen auszuschließen, die mit Waffen im Zusammenhang stehen, die gemäß internationalem Recht verboten sind, wie Streumunition, Antipersonenminen sowie biologische und chemische Waffen.“ (Quelle: Factsheet). Zudem sind Firmen außen vor, die gegen die Grundsätze des Global Compact der Vereinten Nationen verstoßen.

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    Im WisdomTree Europe Defence ETF sind mindestens 20 Firmen enthalten. Diese müssen die Kriterien für Umsatzanteile, sowie zusätzliche Mindestanforderungen hinsichtlich Marktkapitalisierung (Börsenwert aller Aktien) und Liquidität (Höhe der Umsätze an der Börse) erfüllen. Die ausgewählten Aktien werden dann anhand der sich im Streubesitz befindlichen Marktkapitalisierung sowie angepasst um den Umsatzanteil im Rüstungsbereich gewichtet. Die Indexzusammensetzung wird einmal im Halbjahr neu gewichtet.

    Schwergewichte und Gebühren des WisdomTree Europe Defence ETF

    Der WisdomTree Europe Defence ETF wird aktuell von Thales, Rheinmetall und Leonardo dominiert. Diese drei Aktien machen zusammen 38 Prozent des gesamten ETFs aus.

    Bestandteile des WisdomTree Europe Defence UCITS ETF, Quelle: WisdomTree

    Allein die Top 10 des ETF stehen aktuell für fast 88 Prozent des Indexfonds. Diese Aktien sind damit im Wesentlichen für die Performance verantwortlich. Da immer wieder viele Anleger Index-ETFs mit breiter Streuung und Diversifikation gleichsetzen, hier der deutliche Hinweis: Der WisdomTree Europe Defence ETF ist das genaue Gegenteil. Er enthält nur wenige Aktien und alle aus einer Branche. Er ist eine Branchenwette und niemals ein ETF, auf dem alleine man seine Kapitalanlage aufbauen sollte!

    Der WisdomTree Europe Defence ETF ist physisch replizierend. Das bedeutet, dass die im Index enthaltenen Aktien auch tatsächlich in den entsprechenden Gewichtungen im ETF enthalten sind. Es handelt sich um einen thesaurierenden ETF. Ausschüttungen der im ETF enthaltenen Aktien werden also direkt im ETF wieder angelegt. Wie das geht und ob ein ausschüttender oder thesaurierender ETF für Euch besser ist, habe ich bereits in zwei eigenen Artikeln ausführlich behandelt:
    Wie funktioniert die Thesaurierung bei ETFs und Fonds?
    Ausschüttender oder thesaurierender ETF?
    Die Gesamtkostenquote (TER, Total Expense Ratio) hält sich mit 0,40 Prozent pro Jahr im Rahmen dessen, was für Themen-ETFs üblich ist.

    Performance von Themen-ETFs

    An der Börse wechseln beliebte Themen genau wie Trends in der Mode, bei Autos oder bei Frisuren. Wie steht es aber um die Performance der entsprechenden Aktien? Lässt sich eine gute Rendite erzielen, wenn man, getragen von einer breiten Welle der Begeisterung, in diesen Themen investiert? Dieser Frage gingen Ithak Ben-David und drei Kollegen im Oktober 2022 in dem Paper Competition for Attention in the ETF Space nach. Das Ergebnis ist erschreckend:

    30 Prozent weniger als der breite Markt bringen Themen-ETFs in den ersten fünf Jahren nach Emission. Quelle: Ben-David, Itzhak and Franzoni, Francesco A. and Kim, Byungwook and Moussawi, Rabih, Competition for Attention in the ETF Space (October 3, 2022).

    Themen-ETFs entwickeln sich in den ersten fünf Jahren nach Emission risikoadjustiert um 30 Prozent schlechter als der breite Markt! 30 Prozent, das ist der Großteil der Rendite, welche breit angelegte ETFs über einen solchen Zeitraum im Schnitt erzielen.

    Warum performen Themen-ETFs so schlecht? Ich denke, dafür gibt es im Wesentlichen drei Gründe. So sind die Gebühren mit 0,40 Prozent pro Jahr beim WisdomTree Europe Defence ETF, wie bei vielen anderen Themen-ETFs, um 0,25 bis 0,30 Prozent pro Jahr höher. Das summiert sich über die Jahre.

    Viel wichtiger ist in meinen Augen der zweite Grund: Themen-ETFs werden aufgelegt, wenn die breite Masse der Anlegerschaft sich für Trends interessiert. Dann sind diese Trends aber in der Regel schon weit fortgeschritten. Rüstung an sich ist ja bereits seit dem 24. Februar 2022, dem Überfall Russlands auf die Ukraine, ein Trend. Aber erst in den letzten Wochen hyped das Thema stark.

    Preis und Wert klaffen bei Themen-ETFs oft auseinander

    Der dritte Grund liegt an der ETF-/Fonds-Kontruktion. Anleger setzen auf den Trend, ohne die Bewertung der enthaltenen Wertpapiere zu beachten. Bei ETFs ist es wesentlich weniger transparent, wie hoch die enthaltenen Aktien bewertet sind, als bei einem direkten Aktieninvestment. Der Preis einer Aktie an der Börse ist die eine Sache, aber was oft dabei vergessen wird: Eine Aktie ist ein Anteil an einem Unternehmen. Was bringt es, heute die Aktie von einem Unternehmen zu kaufen, das für die kommenden fünf Jahre hervorragende Geschäftsaussichten hat, wenn die Aktie schon so teuer ist, dass die Ergebnisse in den kommenden fünf Jahren die Erwartungen erreichen oder übertreffen müssen, damit die Bewertung als fair angesehen werden kann? Ich empfehle dazu auch den Artikel „Preis und Wert – Methoden der Aktienbewertung“.

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    Fondsmanger Bert Flossbach formulierte es kürzlich in einem Interview im Spiegel so: „Wir erleben eine Welle der Euphorie, die mich an den Aufstieg von Tesla erinnert. In den Aktienkursen stecken enorme Erwartungen an Umsatz und Gewinn dieser Firmen.“ Dass Europa sich selbst um seine Verteidigung kümmern muss und daher massiv Geld in die Hand nehmen muss, das ist inzwischen bekannt. Es ist so bekannt, dass selbst Anleger, die vor einigen Monaten noch nicht gewusst haben, was ein ETF ist und wie man investiert, in dieses Thema investieren wollen. Aber genau das ist in den heutigen Kursen und Erwartungen bereits enthalten. Damit es zu weiteren deutlichen Kurssteigerungen kommt, müssten diese bereits bestehenden Erwartungen noch weiter übertroffen werden.

    Insiderverkäufe beim Schwergewicht Rheinmetall

    Einen Anhaltspunkt könnte uns hierbei ein Blick auf die Insidertransaktionen geben. Unternehmens-Insider wie Vorstände, Aufsichtsräte oder Großaktionäre haben oft einen besseren Blick auf ihre Unternehmen. Damit es hier zu keinen unfairen Vorteilen kommt, dürfen (abgesehen von gewissen Zeitspannen vor der Bekanntgabe von Zahlen) Unternehmen-Insider Aktien nur kaufen und verkaufen, wenn sie dies zeitnah der Öffentlichkeit mitteilen. Und da schauen wir uns nun mal die jüngsten Insidertransaktionen beim ETF-Schwergewicht Rheinmetall an:

    Quelle: EQS News.

    Die Aufsichtsräte Professor Dr. Andreas Arthur Georgi (1,76 Millionen Euro), Dr. Michael Mielke (0,58 Millionen Euro), Prof. Dr. Susanne Hannemann (1,72 Millionen Euro), Ulrich Grillo (0,7 Millionen Euro), Klaus-Günter Vennenmann (6,21 Millionen Euro) sowie der ihm nahestehende Ferdinand Vennemann (67.450 Euro) haben zuletzt in großem Stil Kasse gemacht. Ja, es ist richtig, dass vor allem Insider-Käufe ein gutes Anzeichen für den Kauf einer Aktie sind. Für Insider-Verkäufe gibt es durchaus verschiedene, oft im persönlichen Lebenswandel liegende, Gründe. Etwas anders ist es, wenn Verkäufe von Insidern geballt auftreten. Hier darf man sich schon die Frage stellen, ob es dann für Privatanleger denn ein guter Zeitpunkt für den Einstieg in die Branche ist?

    Was wurde aus früheren Hype-ETFs

    Die oben erwähnte Studie hat ja sehr eindrucksvoll gezeigt, dass es statistisch betrachtet nicht gut ist, in frisch aufgelegte Themen-ETFs zu investieren. Schauen wir uns nun noch mal an, was aus einigen Trend-Themen der letzten Jahre wurde. Beginnen wir mit dem Thema Wasserstoff, das innerhalb des Clean Energy-Bereiches Anfang 2021 von Einsteigerinvestoren stark nachgefragt war.

    VanEck Hydrogen Economy UCITS ETF seit Emission, Quelle: Just-ETF.

    Der im Frühjahr 2021 emittierte VanEck Hydrogen Economy UCITS ETF hat in den knapp vier Jahren seines Bestehens 74,36 Prozent an Wert verloren. Wasserstoff wird in den kommenden Jahren weiter seinen Praxis-Einsatz finden. Die Aktien hatten damals aber Bewertungsniveaus erreicht, dass bis 2030 das Best Case-Szenario hätte eintreten müssen, damit die Kurse gerechtfertigt gewesen wären. Vor Nel Asa, einem der beliebtesten Wasserstoff-Werte, habe ich am 6. Dezember 2020 konkret gewarnt (siehe Artikel).

    Blockchain ist ebenfalls ein großes Hype-Thema. Im folgenden Chart sehen wir, wie sich der WisdomTree Blockchain ETS gegenüber den marktbreiten SPDR MSCI ACWI IMI entwickelt hat. Bei extrem höheren Schwankungen lag die Performance die meiste Zeit hinter dem breiten Markt.

    Mehr Risiko, weniger Rendite. Der Blockchain-ETF liegt hinter dem Markt zurück. Quelle: Just-ETF.

    Noch ein Blick auf das Thema Künstliche Intelligenz. Hier hat WisdomTree mal sehr frühzeitig einen ETF aufgelegt. Ende 2018 haben nur wenige darüber geredet. Das Thema Künstliche Intelligenz rückte erst Ende 2022 so richtig in den Fokus der Anleger.

    ChatGPT wurde am 30. November 2022 der Öffentlichkeit vorgestellt. Seither gerechnet liegt der WisdomTree Artificial Intelligence ETF um gerade mal rund sechs Prozentpunkte vor dem extrem breiten MSCI ACWI IMI. Über alle Betrachtungszeiträume hat auch hier der Themen-ETF deutlich stärker geschwankt.

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    WisdomTree Europe Defence ETF – Spiel gegen den Erwartungswert

    Ist der WisdomTree Europe Defence ETF also doch ein Investment wert? Das letzte Beispiel hat ja gezeigt, dass nicht alle Themen-ETFs hinter dem breiten Markt liegen. Ich werde den WisdomTree Europe Defence ETF dennoch nicht anfassen – so wie ich im Übrigen generell keine Themen-ETFs kaufe. Es ist ein Spiel gegen die Wahrscheinlichkeit. Stellt Euch das so vor: In einer Lostrommel sind zwei blaue und acht rote Kugeln. Ihr müsst nun blind eine Kugel ziehen und tippen, welche Farbe, die gezogene Kugel haben wird. Auf welche Farbe tippt Ihr? Die meisten werden sicher auf rot tippen. Schließlich ist die Wahrscheinlichkeit, eine rote Kugel zu ziehen vier mal so hoch wie eine blaue zu ziehen. Aber trotzdem wird es immer mal wieder vorkommen, dass eine blaue Kugel gezogen wird. Dennoch war es richtig und vernünftig, darauf zu setzen, dass eine rote Kugel gezogen wird. Und genau so ist es mit Themen-ETFs: Es wird immer mal einen Themen-ETF geben, der gut läuft. Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit werdet Ihr risikogewichtet viel schlechter abschneiden als mit einem marktbreiten ETF.

    Warum werden Themen-ETFs dann überhaupt emittiert? Die Antwort hierauf ist ganz einfach: Weil sie sich gut verkaufen. Schaut Euch einfach an, wie schnell 575 Millionen Euro in dem WisdomTree Europe Defence ETF investiert wurden. Wie lange hat dagegen der Marktbreiten SPDR MSCI ACWI IMI für diese Summe gebraucht? Es waren Jahre!

    Was für einen ETF-Sparplan die entscheidenden Faktoren sind und wie der DAX im Vergleich zum MSCI World abgeschnitten hat, das habe ich vor Kurzem in einem eigenen Artikel beleuchtet: Sparplan-Vergleich: MSCI World versus DAX

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    Aufmacherbild mit ChatGPT erstellt.

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