Wenn Ihr Gazprom oder Baidu an der Börse kauft, habt Ihr nicht deren Aktien im Depot, da diese im Ausland gar nicht gehandelt werden. In Eurem Depot befinden sich stattdessen American Depositary Receipts (ADRs), American Depositary Shares (ADS) oder Global Depositary Receipts (GDRs). Ich erkläre Euch, was es mit diesen Papieren auf sich hat, wie sicher Euer Geld dort ist und was es sonst noch zu beachten gibt!
Bereits seit den 1920er-Jahren gibt es die verschiedenen Arten der Depositary Receipts. Der Hintergrund dafür ist eigentlich ganz simpel: Damit Aktien an einer Börse gelistet werden dürfen, müssen regulatorische Voraussetzungen erfüllt sein. Damit eine deutsche Aktie beispielsweise in den USA notiert werden kann, muss die Bilanz nach den Regeln von US-GAAP aufgestellt sein. Das ist vielen Unternehmen zu teuer und zu aufwändig. Gleichzeitig dürfen viele US-Investoren wie staatliche Pensionsfonds, Lebensversicherungsgesellschaften oder Kreditinstitute aufgrund gesetzlicher oder satzungsmäßiger Vorschriften nicht unbeschränkt in ausländische Wertpapiere investieren.
ADRs bringen nun beide Seiten zusammen: Amerikanische Banken erwerben die Aktien an den Heimatbörsen, also zum Beispiel in China, Russland oder auch Deutschland, hinterlegen diese und geben im Gegenzug dafür auf US-Dollar lautende American Depositary Receipts (ADRs) aus. Und hier gilt es zum ersten Mal richtig aufzupassen: Denn ein ADR entspricht oftmals nicht genau einer Aktie. Hier gibt es die unterschiedlichsten Bezugsverhältnisse. Bei Gazprom OAO entspricht beispielsweise ein ADR (ISIN US3682872078) gleich zwei Aktien. Bei Alibaba entspricht ein ADR (ISIN US01609W1027) einer Aktie. Die unschlagbare Quelle, um alle diese Informationen herauszufinden, ist das Verzeichnis der BNY Mellon. Dort findet Ihr zu allen ADRs alle erdenklichen Informationen. Viele ADRs sind auch in Deutschland handelbar, da diese dann in Deutschland gelistet werden. So kommt es dann zu der kuriosen Situation, dass zum Beispiel von Allianz neben der Aktie (ISIN DE0008404005) auch das ADR (ISIN US0188201000) in Deutschland gekauft werden kann, und da das Verhältnis hier eins zu zehn ist, kostet das ADR dementsprechend auch nur ein Zehntel.
Ein American Depositary Receipt (ADR) kann auf zwei Wegen entstehen: sponsored oder unsponsored. Bei unsponsored ADRs geht die Initiative zur Emission des ADRs alleine von der emittierenden Bank oder einem Händler in den USA aus. Viele unsponserd ADRs sind an vielen Börsen nicht zum Handel zugelassen. Bei den sponsored ADRs beauftragt die Firma selbst, also die Allianz oder Gazprom, die Emissionsbank mit der Auflage der ADR und übernimmt auch die anfallenden Kosten zum großen Teil. Die Bank, welche die ADRs ausgibt, verpflichtet sich, Zertifikate auszugeben und zurückzunehmen, die Ausübung von Stimmrechten des Investors zu übernehmen und Dividenden- und Firmeninformationen weiterzugeben sowie das Programm zu pflegen. Aber dennoch kommt es wohl vor, dass die Depotbanken sich bei der Auszahlung der Dividende etwas abknapsen, zumal zunächst die in der Heimatwährung gezahlte Dividende in US-Dollar umgerechnet wird und dann noch mal von US-Dollar in Euro.
Bei sponsored ADRs wird noch nach verschiedenen Leveln unterschieden:
Level-I: Die ADRs werden in den USA im OTC-Mark (Over-the-Counter-Markt) gehandelt, der nicht reguliert ist. Es handelt sich um ein Zweit-Listing, bei dem keine neuen Aktien ausgegeben werden, im Gegenzug darf auf die US-Rechnungslegung (US-GAAP) verzichtet werden.
Level-II: Wie bei Level-I werden keine neuen Aktien ausgegeben, aber es wird ein Listing an einer US-Börse angestrebt. Dafür ist die Erstellung von Berichten nach US-GAAP notwendig. Die amerikanische Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) verlangt hier umfangreiche Informationen vom Emittenten.
Level-III: Bei dieser Form werden neue Aktien auf dem US-Markt ausgegeben. Es ist unbedingt eine Konzernbilanz nach US-GAAP erforderlich.
Rule 144A ADRs: Firmen, welche die SEC-Regulierung umgehen wollen, können ADRs nach diesen Regeln auflegen. Allerdings darf sich das Angebot dann nur an spezielle institutionelle Käufer (Qualified Institutional Buyers) richten.
Wie sieht es nun mit der Sicherheit für deutsche Anleger aus. Ob Aktie oder ADR macht in Bezug auf die Rechtssicherheit keinen Unterschied. Anleger müssen nicht etwa befürchten, dass sie Gläubiger der ADR-ausstellenden Bank werden, wenn diese in die Insolvenz geht. Die für die ADRs hinterlegten Original-Aktien tauchen in der Bilanz der Bank nicht auf und sind Eigentum der ADR-Inhaber. Diese können auch die Herausgabe der Papiere fordern. Da aber viele Banken keinen Zugang zu den Original-Handelsplätzen, beispielsweise in China oder Russland haben, macht das wenig Sinn. Die Herausgabe kostet Geld und anschließend sitzt man auf einem nicht handelbaren Wertpapier. Steuerlich sind ADRs den Aktien inzwischen gleichgestellt. Einzig das Anrechnen der Quellensteuer, das ja oftmals schon bei Aktien nicht gerade einfach ist, kann bei ADRs noch kniffliger werden.
Global Depositary Receipts (GDRs) funktionieren vom Prinzip her wie ADRs, der einzige Unterschied ist, dass GDRs nicht nur für den US-Markt, sondern auch für ein Listing in London gedacht sind. Sie werden oftmals benutzt, um Kapitalerhöhungen international zu platzieren. Es gibt sogar die Sonderform der EDRs, diese werden ausgegeben, wenn die Notierung in Euro erfolgt. Und was ist nun der Unterschied zwischen einem ADR und einem ADS? Als ADS (American Depositary Share) bezeichnet man die auf US-Dollar ausgestellten Eigentumsanteile an einem nicht US-Unternehmen, das ADR (American Depositary Receipt) ist die Urkunde hierfür, die das verbrieft.
Was bedeutet das für uns Investoren nun?
1. Wenn möglich sollten wir die Original-Aktie bevorzugen. Diese ist in den meisten Fällen liquider und mit engeren Spreads gehandelt. Zudem sind eventuell die versteckten Kosten (Dividendenauszahlung) höher.
2. Rechtlich ist ein ADR oder GDR genau so sicher wie die Original-Aktie, auch steuerlich gibt es keine Unterscheide.
3. Obacht muss man geben, wenn ADRs plötzlich aufgelöst werden. In der Regel informiert einen die Depotbank dann aber mit einem Vorlauf von einigen Wochen, so dass man die ADRs verkaufen kann. Ein Umtausch in Original-Aktien ist jederzeit möglich, aber nicht empfehlenswert, da es oft Probleme gibt, diese Papiere dann zu handeln.