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    Verlustverrechnung ab 2021 für Optionsscheine, Knock-Outs und CFDs erklärt

    Die Börsenwoche endet mit zwei hochinteressanten Meldungen zu einer lange unklaren Besteuerungssituation bei Optionsscheinen, Hebelprodukten und CFDs sowie mit einer Zurechtweisung des Bundesfinanzministeriums durch den Bundesfinanzhof. Dieser hält einen Teil der Aktienbesteuerung für verfassungswidrig! Können Anleger auf eine Rückzahlung von zu viel gezahlten Steuern hoffen?

    Lange Zeit war es unklar, wie die Besteuerung von Termingeschäften ab 1. Januar 2021 geregelt ist. Zwar hatte die Bundesregierung die Regelung bereits Ende Dezember 2019 verabschiedet, aber handwerklich mal wieder nicht sauber gearbeitet. Damals wurde beschlossen, dass Verluste aus Termingeschäften ab 1. Januar 2021 nur noch mit Gewinnen aus Termingeschäften verrechnet werden dürfen. Es wurde also ein eigener Verlustverrechnungstopf geschaffen. Viel schwerer wog, dass die Verrechnung auf 10.000 Euro pro Jahr beschränkt war. Nach heftigen Protesten wurde die Verlustverrechnungsgrenze auf 20.000 Euro pro Jahr angehoben. Was aber völlig unklar war: Was sind Termingeschäfte? Zählen nur Futures und Optionen an der Eurex und ähnlichen Terminbörsen dazu, oder etwa auch CFDs, Optionsscheine oder Knock-Out-Produkte. Nun, nachdem das Jahr 2021 bereits fast zur Hälfte um ist, hat sich das Bundesministerium der Finanzen endlich dazu geäußert und für etwas mehr Klarheit gesorgt. Optionsscheine und Knock-Out-Produkte zählen demnach nicht zu den Termingeschäften, wohl aber CFDs (Contracts for Difference), Optionen und Futures. Bitte nicht Optionen und Optionsscheine verwechseln. Optionen sind Calls und Puts, die an einer Terminbörse wie beispielsweise der Eurex gehandelt werden. Diese Optionen kann man long (kaufen) oder short (leerverkaufen) gehen. Optionsscheine sind dagegen Produkte, die von Emittenten wie etwa HSBC, BNP Paribas, Citi, der HypoVereinsbank oder Lang & Schwarz begeben werden. Hier können Anleger nur long-Positionen eingehen und diese wieder schließen. Für alle, die sich für Beispiele zur Behandlung von Optionsprämien etc. interessieren, empfehle ich einen Blick in das Schreiben des Bundesministerium der Finanzen.

    Für Privatanleger bedeutet die Verlustverrechnungsbegrenzung von 20.000 Euro für Termingeschäfte, dass Futures, Optionen (auch Stillhaltergeschäfte) sowie CFDs kaum mehr wirtschaftlich gehandhabt werden können. Ich möchte das am nachfolgenden Beispiel kurz skizzieren (Hinweis: Ich bin kein Steuerberater, bei Euch können andere Voraussetzungen vorliegen, daher ggf. mit einem Steuerberater besprechen): Im Jahr 2021 erzielt Ihr in Summe aus Geschäften mit Optionen, Futures und CFDs aus allen profitablen Geschäften Gewinne von 50.000 Euro, gleichzeitig schließt Ihr in Summe mit Optionen, Futures und CFDs Verlustgeschäfte über 45.000 Euro ab. Nach alter Regelung (bis Ende 2020) habt Ihr damit 5.000 € vor Abgeltungssteuer verdient. Aufgrund der begrenzten Verlustverrechnung sieht es ab 2021 aber wie folgt aus: Die ersten 20.000 Euro Gewinn dürft Ihr mit 20.000 Euro Verlust verrechnen. Die verbleibenden 25.000 Euro aus Verlustgeschäften werden auf die Folgejahre vorgetragen. Verbleiben 30.000 Euro zu versteuernder Gewinn. Darauf die Abgeltungssteuer von 25 Prozent zuzüglich Soli (5,5 Prozent auf die 25) = 26,375 Prozent oder 7.912,50 Euro Abgeltungssteuer und Soli. Damit wird aufgrund des Steuereffekts aus einem Gewinn vor Steuern von 5.000 Euro schnell ein Verlust nach Steuern von 2.912,50 Euro.

    Diese asymmetrische Besteuerung führt dazu, dass selbst erfolgreiche Trader nur sehr schwer nach Steuern noch Gewinn erzielen können. Ich rate daher allen Privatanlegern dringend von Geschäften in Optionen, Futures und CFDs ab!

    Eine Verrechnungsobergrenze pro Jahr von 20.000 Euro gibt es zudem für Totalverluste, sei es bei Aktien oder bei Optionsscheinen oder Knock-Out-Produkten. Daher der Ratschlag, nie Sachen wertlos verfallen oder ausbuchen zu lassen, sondern kurz vorher noch mit einem Restwert verkaufen. Eine Sache ist hier immer noch ungeklärt: Im Falle eines Knock-Outs gibt es bei vielen Knock-Out-Produkten 0,001 Euro. Nach meinen Informationen handhaben das manche Institute als Totalverlust, andere als normalen Verlust. Von daher: Immer selbst einen Stopp-Loss setzen oder kurz vor Fälligkeit aktiv verkaufen. So umgeht Ihr diese Verrechnungsfalle. Die Obergrenze ist nicht nur ärgerlich, sondern auch aufwendig: Eine Verrechnung erfolgt nicht mehr wie bei anderen Gewinnen und Verlusten beim Broker, sondern sowohl Verluste aus Termingeschäften als auch Verluste aufgrund eines Totalausfalls müssen über die Steuererklärung zurückgeholt werden.

    Für Hoffnung und Sprengstoff sorgt eine zweite Entscheidung: Der Bundesfinanzhof hält die Beschränkung der Verrechnung von Verlusten aus Aktiengeschäften – zur Erinnerung: Verluste aus Aktiengeschäften dürfen nur mit Gewinnen aus Aktiengeschäften, nicht aber mit Dividenden, Zinsen oder ETF-Erträgen verrechnet werden – für teilweise verfassungswidrig. Bestätigt nun das Bundesverfassungsgericht diese Sichtweise, so stellt sich auch die Frage, inwieweit der in diesem Jahr neu geschaffene Verrechnungstopf für Termingeschäfte ebenfalls verfassungswidrig ist? Erschreckend ist eigentlich, dass der vor dem Bundesfinanzhof verhandelte Fall aus dem Jahr 2012 stammt und bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls nochmals mehrere Jahre vergehen werden.

    Folgt das Bundesverfassungsgericht dem Bundesfinanzhof, könnte es richtig Geld geben, wie das folgende Beispiel zeigt: Nehmen wir mal an, dass jemand im Jahr 2013 einen Verlust von 10.000 Euro aus einem Aktiendeal realisiert hat, diese Position aber über Optionsscheine abgesichert war, die ihm 2013 einen Gewinn von 10.000 Euro gebracht haben, und er in den Folgejahren bis 2020 nur Buy & Hold betrieben hat und jedes Jahr Dividenden kassiert hat. In diesem Szenario musste der Anleger die 10.000 Euro Gewinn aus den Optionsscheinen versteuern und durfte die Aktienverluste nicht gegenrechnen. Bis heute hat er hingegen einen Aktien-Verlustverrechnungstopf über 10.000 Euro. Das bedeutet, dass er 2013 2.500 Euro Abgeltungssteuer und 137,50 Euro Soli zu viel gezahlt hat. Sollte das Verfassungsgericht dem Bundesfinanzhof folgen, würde nun eine Korrektur der Bescheide erfolgen und die 2.637,50 Euro samt 6 Prozent Zinsen pro Jahr erstattet. Inwieweit hierfür allerdings ein Einspruch gegen den Steuerbescheid notwendig ist, oder ob automatisch alle Anleger, die davon betroffen sind, bei einem entsprechenden Gerichtsurteil profitieren, das ist mir nicht bekannt. Falls Ihr also Verlustvorträge aus Aktiengeschäften habt, solltet Ihr unbedingt mit Eurem Steuerberater darüber sprechen.

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    2 Comments

    1. Vielen Dank für den Artikel, sehr hilfreich.
      Was mir nicht 100% klar ist, kann man eigentlich unbegrenzt Verluste aus KnockOuts und Optionsscheinen mit Gewinnen aus Aktien verrechnen und umgekehrt?
      Vielen Dank und beste Grüße vorab.

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