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    Nebenwerte und Micro Caps finden

    Viele Anleger träumen davon, ganz früh bei der nächsten Apple oder Microsoft mit dabei zu sein, und investieren daher gezielt in kleine Firmen. Ich gehe auf drei Faktoren ein, warum das – so wie es viele Investoren angehen – meist zum Scheitern verurteilt ist, und ich zeige, mit welchen Ansätzen ich agiere, um interessante Small und Micro Caps zu finden.

    Ihr kennt sicher auch diese reißerischen E-Mail-Newsletter und Anzeigen, die die nächste Amazon, Apple oder Microsoft oder einfach nur den nächsten Tenbagger versprechen. Viele Anleger fühlen sich von solchen Schlagzeilen angezogen und investieren dann in teils obskure Werte mit oft geringem Börsenwert (Small und Micro Caps) – der Ausgang ist selten positiv. Dabei gibt es unter den Nebenwerten, also Werten mit oftmals kleiner Marktkapitalisierung von nur wenigen 100 Millionen Euro, durchaus sehr interessante Gesellschaften, man muss nur an den richtigen Stellen und mit den richtigen Mitteln suchen.

    Zunächst möchte ich drei Punkte aufgreifen, die mir bei Fehlschlägen immer wieder auffallen: Besonders häufig werden Pennystocks als Aktien empfohlen, die vor dem Durchbruch stehen sollen. Anlegern wird durch den niedrigen Kurs suggeriert, dass der Kurs noch sehr stark steigen kann, bis er auf das Level von Amazon oder Alphabet steigt. Was viele dabei verkennen: Die absolute Höhe des Kurses sagt rein gar nichts aus. Jedes Unternehmen kann selbst festlegen, in wie viele Teile = Aktien das gesamte Unternehmen aufgesplittet wird. Begründet wird das dann oft noch mit Charts, die zeigen, dass zum Beispiel Microsoft 1991 nur rund einen US-Dollar gekostet hat. Was dabei vergessen wird: Microsoft hat seither sechs Aktiensplits durchgeführt und die Charts wurden eben um diese Splits bereinigt.

    Ein zweiter, wesentlicher Punkt, der oft missachtet wird: Die Bewertung. Gerade im Wasserstoff- und New Energy-Hype hat man Firmen gesehen, deren Marktkapitalisierung teils das Hundertfache und mehr vom Umsatz betragen hat. Hier ist also schon extrem viel Zukunftsphantasie in die heutigen Kurse eingepreist. Gerne ist in diesem Zusammenhang oft vom TAM, Total Adressable Market, die Rede. TAM gibt an, welches Marktvolumen in Zukunft mal für alle in diesem Segment tätigen Unternehmen entstehen kann. Das hat natürlich zwei Haken: Zum einen werden die meisten Firmen auch dann nur einen kleinen Anteil am gesamten Kuchen haben, und zum anderen muss die Firma überhaupt erst einmal erfolgreich sein. Aber gerne wird hochgerechnet, wie klein doch der Unternehmenswert im Vergleich zum TAM ist.

    Dritter Punkt, der meiner Meinung nach auch für das Finden attraktiver Nebenwerte sehr interessant ist, ist die Richtung des Informationsflusses. Was meine ich damit? Je aktiver die Gesellschaft Investor Relations betreibt, oder etwas extremer formuliert: „Die Aktie anpreist“, desto schlechter die Chancen, eine echte Nebenwerte-Perle zu finden. Ja, Investor Relations gehört dazu und ist auch gut. Aber es gibt viele Fälle, gerade bei den besagten kanadischen Pennystocks, bei denen aktiv dafür gezahlt wird, dass in Deutschland und in deutscher Sprache die Aktie an Kleinanleger gebracht wird. Viel interessanter wird es, wenn der Weg umgedreht ist: Ihr seht ein interessantes Produkt, das bei Euch in der Firma eingesetzt wird oder das Freunde und Verwandte begeistert kaufen, oder Ihr nehmt eine Firma im regionalen Umfeld wahr. Anschließend fangt Ihr an, Euch Informationen aus verschiedenen Quellen zu besorgen. Es ist sinnvoll, sich immer mal wieder die Frage zu stellen: „Welche Firma steckt hinter dem Produkt?“, wenn man ein Produkt sieht, das gefragt ist. Oft kommt man so zu interessanten Gesellschaften. Oder man bekommt mit, welche Firma in der eigenen Region stark wächst, Auszeichnungen bekommt, Mitarbeiter sucht, all das sind mögliche Anknüpfungspunkte für weitere Recherchen. Nun gilt es mehr über die Firma herauszufinden, sich ein Bild vom Management und vom Markt zu machen, in dem die Gesellschaft agiert.

    Ihr könnt aber auch mal den umgedrehten Weg gehen und schauen, welche Firmen aus Eurer Region an der Börse notiert sind und was die so machen. Gereon Kurse von Boersengefluester.de, einer der besten Seiten für deutsche Small und Micro Caps, hat eine wunderbare Suchfunktion. Dort könnt Ihr ganz einfach schauen, welche Firmen aus Eurer Stadt oder Eurem Bundesland an der Börse notiert sind, welchen Börsenwert (Marktkapitalisierung) diese haben und in welchen Indizes die Werte vertreten sind.

    Werte aus Eurer Region haben einen klaren Vorteil: Wenn es wieder Präsenz-Hauptversammlungen gibt, könnt Ihr als Aktionär die HV besuchen, lernt andere Aktionäre und teilweise sogar (ehemalige) Mitarbeiter der Gesellschaft kennen und bei kleinen Firmen ergibt sich sogar oft die Möglichkeit, persönlich mit dem Management zu sprechen. Im Moment finden zwar fast alle Hauptversammlungen digital statt – und es sieht wohl so aus, dass es auch in Zukunft darauf hinaus läuft, dass man auch online an Hauptversammlungen teilnehmen kann, die Eindrücke, die man vom Management bekommt, und den Informationsaustausch mit anderen Aktionären ermöglicht aber nur eine physische HV.

    Um an einer Hauptversammlung teilnehmen und notfalls auch Fragen stellen zu können, ist es jedoch vorteilhaft, Aktionär zu sein (es gibt auch die Möglichkeit von Gästekarten, aber das klappt nicht immer). Und schon mit einer einzigen Aktie hat man alle Aktionärsrechte. Doch Vorsicht: Viele Broker verlangen Extra-Gebühren für die Bestellung einer Eintrittskarte. Bei Trade Republic kostet dies bei deutschen Inhaberaktien beispielsweise 25 Euro pro Vorgang, bei Flatex 5,90 Euro – beim Smartbroker ist dieser Service jedoch kostenfrei. Damit die Werte, die ich mir vorläufig mal nur wegen der Eintrittskarte ins Depot lege, nicht die gesamte Depotübersicht zu versauen, hat Smartbroker eine weitere interessante Funktion: Unterdepots. Wenn Ihr bereits Kunde beim Smartbroker seid, könnt Ihr ganz einfach durch Ausfüllen des verlinkten PDFs ein Unterdepot eröffnen. Mit 4 € pro Transaktion sind die Kosten für den Kauf einer Aktie beim Smartbroker nicht sonderlich hoch, so dass Ihr am Ende über diesen Weg günstig an Eintrittskarten kommt.

    Mit einer Aktie investiert und bei einer Gesellschaft am Ball zu bleiben hat viele Vorteile. Gerade bei Small und Micro Caps spielen die im Management agierenden Personen oft eine zentrale Rolle. Beobachtet man nun eine Gesellschaft und deren Vorstand einige Zeit, bekommt man ein Gefühl dafür, ob jemand beispielsweise immer sehr konservative Prognosen herausgibt oder den Mund immer etwas zu voll nimmt. Weiterhin bekommt man durch regelmäßige HV-Besuche und durch das Studium der Geschäftsberichte und Unternehmensmeldungen sehr frühzeitig mit, wenn die Gesellschaft mit einem neuen Produkt oder einer neuen Sparte sehr erfolgreich ist und sich ein Umbruch anbahnt, den die Börse noch nicht realisiert hat.

    Ein solches Beispiel ist die Quirin Privatbank. Ihren Vorstand Karl Matthäus Schmidt habe ich schon vor mehr als 20 Jahren persönlich kennengelernt. Mit Consors hatte er bereits in den 1990er-Jahren erfolgreich den ersten deutschen Discountbroker etabliert. Mit Quirin hat er seit 2013 nun den ersten deutschen Robo-Advisor Quirion am Start. Lange tat sich hier wenig und die Gesellschaft betreibt auch keine aktive Investor Relations. 2017, 2018 und 2019 haben Schmidt und sein Finanzvorstand Johannes Eismann bei Kursen zwischen 1,21 und 1,70 € mehr als fünf Millionen Aktien eingesammelt. Als im Januar 2021 dann eine Kapitalerhöhung bei der Tochter Quirion bekannt wurde, merkten die Anleger, dass die Beteiligung an Quirion mehr wert war als die gesamte Quirin Privatbank an der Börse gekostet hat.

    Neben der Hauptversammlung gibt es für Small und Micro Caps noch weitere Informationsmöglichkeiten. So veranstaltet beispielsweise die GBC AG zwei mal im Jahr die mkk Münchener Kapitalmarkt Konferenz sowie die Zürcher Kapitalmarkt Konferenz. Die Präsentationen der Gesellschaften sind teilweise auch auf dem YouTube-Kanal von GBC verfügbar. Von diesem Format gibt es weitere Veranstaltungen wie das Eigenkapitalforum oder den Baader Small-Cap Day. Solche Veranstaltungen sind teils auch für Privatanleger zugänglich, manche aber auch nur für Profis und Medienvertreter. Dabei dürft Ihr aber nicht vergessen, dass es hier die Firmen sind, die aktiv auf den Kapitalmarkt zugehen und „um Aktionäre werben“. Als Informationsquelle ist auch der YouTube-Kanal der SdK sehr interessant. Dort werden hin und wieder auch interessante Nebenwerte vorgestellt.

    Das alles braucht jedoch Zeit und Erfahrung. Daher kann es durchaus ratsam sein, sich mit einer Aktie jetzt an einem Unternehmen zu beteiligen, Informationen und Knowhow zu sammeln, um in ein paar Jahren dann den richtigen Zeitpunkt für ein größeres Investment zu erkennen. Wenn der Anstoß für die Beschäftigung mit der Firma nicht über ein spezielles Produkt gekommen ist, würde ich regional vor allem bei Firmen aus Deutschland und gegebenenfalls noch Europa bleiben. Der nordamerikanische Kapitalmarkt ist der größte der Welt. Ich halte hier die Chancen für gering, dass wir aus dem fernen Europa realistisch einen Knowhow-Vorsprung erzielen können (Ausnahme: Wenn Ihr Fachwissen bei einem Produkt habt).

    Wichtig ist, die Depotanteile bei Small und Micro Caps überschaubar zu halten. Diese Investments sind in der Regel deutlich riskanter. Auch kann es in einer Baisse oder einem Crash dazu kommen, dass sich hier keine Käufer für die Aktien finden oder die Spreads zwischen An- und Verkaufskursen sehr groß sind. Aber wer näher am Unternehmen dran sein möchte, wer unternehmerisch investieren möchte und Spaß an der Beschäftigung mit Unternehmen hat, der wird als gut informierter Anleger im Bereich der (heimischen) Small und Micro Caps Erfolg haben.

    Bild von Shutterstock.

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