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    ETF-Einmalkauf oder als Sparplan?

    Immer mehr Anleger, die sich oftmals bisher noch wenig oder gar nicht mit Kapitalanlagen in Aktien, Fonds und ETFs beschäftigt haben, möchten investieren und stehen dabei vor der Frage: Sollen sie alles verfügbare Geld direkt investieren oder lieber Schritt für Schritt einsteigen. Dabei gibt es in der Theorie einen klar vorteilhaften Ansatz – aber die Praxis lehrt uns das komplette Gegenteil, da in der Theorie ein wesentlicher Punkt übersehen wird!

    Die Alternativen sind rar gesät. Immer mehr Anleger entdecken daher ETFs (Exchange Traded Funds), also Indexfonds, für sich. Mit einem breit aufgestellten ETF, zum Beispiel einem ETF auf den MSCI All Countries World (MSCI ACWI) oder dem FTSE All World lässt sich einfach und zu geringen Kosten in rund 3.000 Aktien aus aller Welt investieren. Für Investoren mit einem Anlagehorizont von 10, 15, 20 oder mehr Jahren eine, meiner Ansicht nach, gute Entscheidung. Nun stellt sich allerdings die zentrale Frage: Alles verfügbare Geld sofort oder lieber nach und nach investieren?

    In der Theorie gibt es hierfür eine ganz klare Antwort: Wer alles sofort investiert, hat in der Regel eine bessere Rendite. Das ist auch logisch, wenn wir uns das mal im Beispiel ansehen und das jeweils gebundene Kapital bedenken. Gehen wir von einer Anlagesumme von 12.000 Euro aus und vergleichen ein Sofortinvestment mit 12 Sparraten á 1.000 Euro:

    MonatEinmalinvestSparplaninvestiertes Kapital Einmalinvestinvestiertes Kapital Sparplan
    112.000 Euro1.000 Euro12.000 Euro1.000 Euro
    21.000 Euro12.000 Euro2.000 Euro
    31.000 Euro12.000 Euro3.000 Euro
    41.000 Euro12.000 Euro4.000 Euro
    51.000 Euro12.000 Euro5.000 Euro
    61.000 Euro12.000 Euro6.000 Euro
    71.000 Euro12.000 Euro7.000 Euro
    81.000 Euro12.000 Euro8.000 Euro
    91.000 Euro12.000 Euro9.000 Euro
    101.000 Euro12.000 Euro10.000 Euro
    111.000 Euro12.000 Euro11.000 Euro
    121.000 Euro12.000 Euro12.000 Euro
    Durchschnitt12.000 Euro6.500 Euro

    Wir sehen also: Das durchschnittlich gebundene Kapital ist beim Einmalinvest höher, und da die Märkte langfristig steigen, kommen viele Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass es besser ist, sofort zu investieren. Dem steht ein Cost-Averaging-Effekt gegenüber. Die Märkte entwickeln sich ja nicht wie am Schnürchen entlang ihres langfristigen Durchschnitts nach oben, sondern sie schwanken. Investiert man nun scheibchenweise und immer die gleichen Beträge, so bekommt man bei günstigen Kursen mehr Anteile fürs gleiche Geld.

    MonatKursAnteile Einmalinvestneue Anteile Sparplan
    1100,00 €120,010,00
    298,40 €10,16
    396,80 €10,33
    497,50 €10,26
    5102,00 €9,80
    698,50 €10,15
    792,40 €10,82
    896,00 €10,42
    998,00 €10,20
    10102,00 €9,80
    11104,00 €9,62
    12105,00 €9,52
    Summe120,00 Anteile121,09 Anteile

    Wie hier am Beispiel zu sehen, bekommt man vor allem bei zunächst mal rückläufigen Kursen mehr Anteile, als wenn man direkt investiert. Doch langfristig steigen die Märkte. Nick Maggiulli hat in einem Beitrag für das Fair Value Magazin sehr schön aufgezeigt, dass in 80 Prozent der von ihm betrachteten Fälle das Aufteilen der Summe in mehrere Investments zu einer schlechteren Rendite führt. Er zeigt, dass die Underperformance der Sparplanstrategie mit zunehmendem Zeitraum, auf den man sein Investment verteilt, deutlich zunimmt:

    Heruntergeladen bei Fairvalue-magazin.de

    Die Theorie ist soweit also klar: Investiert man das komplette Geld sofort, erhält man mit hoher Wahrscheinlichkeit die bessere Rendite. Doch gerade noch wenig am Kapitalmarkt erfahrene Anleger sollten einen ganz wesentlichen anderen Faktor ebenfalls mit in ihre Überlegungen einbeziehen. Bevor ich auf diesen im Detail eingehe, möchte ich Euch anonymisiert und leicht gekürzt ein Posting zeigen, das vor einigen Tagen in einer Facebook-Gruppe gepostet wurde.

    „Das kommt davon, wenn man feige ist … Ein Trading nach System mit nur 4 Aktien (Filterkriterien nach meinen Vorstellungen) und Rebalancing einmal pro Monat mit Startkapital $ 100.000 hab ich am 02.01.2020 begonnen und auch in echt bei Captrader durchgezogen. In der Coronakrise als das Depot mit 50 Prozent im Minus stand, hab ich leider die Reißleine gezogen. Mein Musterportfolio aber hab ich weitergeführt. Heute hätte, hätte Fahrradkette … hätte ich $ 1,25 Millionen“.

    Meiner Meinung nach hat der Anleger einen völlig falschen Schluss aus seiner Pleite gezogen: Er war nicht zu feige. Sondern er ist zu viel Risiko eingegangen, er hat seine Risikotragfähigkeit nicht gekannt und er war nicht von seinen Anlagen überzeugt!

    Daher sind zwei Faktoren ganz wichtig:
    1. Bevor man als Einsteiger investiert, sollte man tief in sich gehen und festlegen, wie viel Risiko – besser wie viel Schwankungen – man aushält, ohne nervös und panisch zu werden.
    2. Vertrauen in die gewählte Anlagestrategie.

    Zum ersten Punkt: Wenn man als Einsteiger beginnt, empfiehlt es sich immer, einen extrem breit angelegten ETF, beispielsweise auf den MSCI All Countries World (MSCI ACWI) oder den FTSE All World zu nehmen. Aber selbst diese extrem breit gestreuten Indizes hatten in der Vergangenheit zeitweise Kursrückgänge von bis zu rund 50 Prozent. Hat ein Anleger nun beispielsweise 50.000 Euro, die er investieren möchte, und seine Schmerzgrenze an Schwankungen, die er bereit ist auszuhalten, und die er auch ohne schlaflose Nächte aushalten kann, liegt bei 10.000 Euro. So ist er gut beraten, erst einmal nur 20.000 Euro zu investieren und den Investmentbetrag nach und nach hochzufahren, auch wenn das Rendite kostet. Denn was bringt die beste Renditechance, wenn im Crash die Angst mit dem Anleger durchgeht und er aus Panik verkauft und seine einmal getroffene und langfristig sinnvolle Entscheidung dann revidiert und den Verlust realisiert?

    Zum zweiten Punkt: Vertrauen in die gewählte Anlagestrategie ist wichtig. Und Vertrauen wächst mit der Zeit. Wer beispielsweise im Laufe des Jahres 2019 mit dem Investieren begonnen hat und den Rückschlag durch den Corona-Crash überstanden und die nachfolgende Erholung mitgemacht hat, hat ein ganz anderes Vertrauen in den Markt, als jemand, der im März oder April 2020 erstmals Aktien gekauft hat und mehr oder minder nur steigende Märkte kennt. Vertrauen wächst mit der Zeit und auch deshalb ist es – wenn auch unter Renditegesichtspunkten nur die zweitbeste Wahl – für viele Anleger sinnvoll, das Geld Stück für Stück, am besten automatisiert mittels Sparplan, zu investieren.

    Vieles spricht dafür, dass ein breit angelegtes Investieren in den MSCI ACWI oder den FTSE All World langfristig auch weiterhin deutlich höhere Renditen als das Sparbuch oder Anleihen bringt. Der Preis für diese höheren Renditen ist allerdings die höhere Schwankungsbreite des Vermögens. Wer bereit ist, diesen Preis zu zahlen und auf sich zu nehmen, sich dessen bewusst ist und an seiner Strategie über Jahrzehnte festhält, wird mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit am Ende belohnt werden. Von daher: steigert das Risiko nur langsam, seid Euch bewusst, dass Schwankungen kommen werden, und gewinnt nach und nach Selbstvertrauen und sammelt Erfahrungen.

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