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    Was mich an den Börsen Tradegate und Stuttgart nervt

    Börse ist Börse, möchte man meinen. Doch weit gefehlt. Jeder Handelsplatz hat seine eigenen Spielregeln – und das nervt manchmal gewaltig. Ich erkläre Euch heute, warum ich die Börse in Stuttgart und auch Tradegate oftmals meide.

    Es ist Dienstag, gegen 18.30 Uhr, die Realtime-Anzeige der comdirect zeigt an der Börse Stuttgart bei den Aktien der Audi AG einen Geldkurs von 1.610 € für eine Menge von 10 Stücken. Schnell platziere ich eine Verkaufsorder über 10 Stück mit Limit 1.610 €. Nachdem ich die Order freigegeben habe, steht noch eine kurze Zeit der Geldkurs von 1.610 € für die zehn Stücke, doch meine Order wird nicht ausgeführt. Kurz darauf ändert sich die Geld-Brief-Spanne auf 1.590 € zu 1.610 € und meine 10 Stücke stehen plötzlich im Brief.

    Ist mir jemand zuvor gekommen? Was war passiert? Warum wurde meine Order nicht ausgeführt? Ich schreibe umgehend eine E-Mail an die Handelsüberwachung und bitte um Aufklärung, warum der Auftrag nicht ausgeführt worden ist. Von dort erfahre ich, dass die Geldseite von 1.610 € zum Zeitpunkt meiner Ordereinstellung schon veraltet gewesen wäre. Der Händler habe dann versucht, die Order zum gezeigten Niveau am Markt zu platzieren, aber das Niveau wäre nicht mehr marktgerecht gewesen. Daher sei eine Ausführung nicht möglich gewesen.

    Um 18:30:04 Uhr hatte es der Makler aber noch für nötig befunden, einen Geldkurs bei 1.610 € zu taxen. Eine weitere E-Mail bringt mir nun die Erkenntnis, dass die Taxe automatisch generiert wurde und sich an den letzten Umsätzen orientierte. Der Makler sei zudem ein QLP – Quality and Liquidity Provider, der erst bei Eingang der Order einen entsprechenden Hinweis erhält und den Preis plausibilitiert.

    Was habe ich daraus gelernt: An der Börse Stuttgart kann es vorkommen, dass die gezeigten Preise und Stückzahlen gar nicht handelbar sind. Bei einem Blick auf den Geld-Brief-Kurs kann man also nicht erkennen, ob der gezeigte Kurs und die gezeigte Menge von einem anderen Marktteilnehmer tatsächlich gesucht oder angeboten werden oder eine vom System generierte und im Zweifel nicht handelbare Stückzahl ist.

    Andere Handelsplätze – andere Macken. Es ist schon etwas her, aber im Mai wollte ich Aktien eines französischen Microcaps, Guillemot, über Tradegate kaufen. Auf Tradegate stand ein Geldkurs von 2,13 €, ich habe 1.000 Aktien mit Limit 2,14 € reingelegt, und was passiert daraufhin: Nichts. Weiter steht dort ein Geldkurs von 2,13 € mit der bisherigen Stückzahl.

    Eine Situation, wie ich sie auf der elektronischen Handelsplattform Tradegate nun schon öfter erlebt habe und wie sie mir auch von vielen anderen Anlegern berichtet wurde: Man setzt eine Order auf Tradegate rein, aber diese ist nicht für andere Anleger sichtbar, obwohl sie den Spread verengen würde.

    Diesmal wollte ich wissen, was der Grund dafür ist, und habe mich wieder an die Handelsüberwachung gewandt. Diese teilt mir recht schnell mit, dass meine Order nach Eingang im System der Tradegate Exchange automatisch den Zusatz AON, was für „all or none“, also alle oder gar nichts, steht (danke dafür – hat mich jemand gefragt, ob ich das will?). Auf Basis der Börsenbedingungen wird eine Order, deren Volumen nicht größer ist als das bei der Vorhandelstransparenz veröffentliche Quotevolumen, zum Schutz vor wirtschaftlich nicht sinnvollen Teilausführungen automatisch mit dem Zusatz „all or none“ versehen.

    Welche Folgen hat ein solches Vorgehen nun: Zum einen sieht niemand außer dem zuständigen „Spezialisten“, dass es einen Marktteilnehmer gibt, der noch mehr als die im System gezeigten 2,13 € zu zahlen bereit ist. Da auch andere Kundenorders, im Beispiel die eines Anlegers, der beispielsweise 1.500 Stück zu 2,14 € verkaufen möchte, mit „all or none“ versehen werden, dass es nach dieser Erklärung unter Umständen zu keinem Umsatz kommt, obwohl die Kauforder ganz und die Verkaufsorder zumindest zum Teil hätten bedient werden können.

    In der Praxis bedeutet das wohl in sehr vielen Fällen, dass Kauforders von Kunden erst dann ausgeführt werden, wenn sie dem Verkaufskurs des Spezialisten entsprechen und Verkaufsorders erst dann, wenn der Kurs so weit angezogen ist, dass sie dem auf Tradegate gezeigten Geldkurs entsprechen. Schade.

    Aus diesem Grund ist Tradegate für mich – außer bei extrem liquiden Blue Chips mit sehr engem Spread – keine Alternative. Welches meine Lieblingsbörse ist und wie dort die Kursbildung funktioniert, das erfahrt Ihr im nächsten Artikel.

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