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    ETFs aus der Spur

    An hektischen Tagen, wie wir sie am Freitag und heute erlebt haben, kommt es immer wieder vor, dass einzelne Kurse von ETFs von den fairen Preisen abweichen. Anleger zahlen also bei einem Kauf zu viel oder erhalten bei einem Verkauf zu wenig. Nachfolgend erkläre ich Euch das Phänomen und nenne einige Punkte, die Ihr bei einem Handel aktuell beachten solltet.

    Tradegate, 7. April 2025, 8:51 und 9 Sekunden. Der ETF auf den breit gestreuten MSCI ACWI IMI steht 7,55 Prozent tiefer als noch am Freitagabend. Zu 178,54 Euro wechseln 1.883 Stücke den Besitzer. Eine Order über rund schlappe 336.191 Euro. Sicher kein naiver Anfänger oder Kleinanleger, der da verkauft hat. 23 Minuten früher gab es noch 184,48 Euro oder knapp 3,3 Prozent mehr.

    Kurs des MSCI ACWI IMI an der Börse Tradegate am 07.04.2025. Quelle: comdirect.

    Ist ein so breit gestreuter ETF in so einer kurzen Zeit wirklich um so viel gefallen? Sicher nicht. Das legt zumindest ein Blick auf den iShares MSCI World ETF nahe. Dieser notierte in der relevanten Zeitspanne nahezu unverändert.

    MSCI World nahezu unverändert zwischen ca. 8:30 und 8:50 Uhr. Quelle: comdirect.

    Der MSCI World macht um die 73 Prozent des MSCI ACWI IMI aus. Die restlichen gut 27 Prozent müssten in dieser kurzen Zeitspanne also fast schon prozentual zweistellig gefallen sein, um eine solche Abweichung zu erklären. Das war natürlich nicht der Fall.

    Preisbildung bei ETFs

    Um die Ursache zu verstehen, möchte ich zunächst die Preisbildung bei ETFs etwas näher erläutern. Exchange Traded Funds (ETFs) unterscheiden sich von den meisten klassischen Fonds in einem Punkt. Bei den Klassikern erfolgt der Kauf des Fondsanteils über die Fondsgesellschaft. Es gibt pro Tag einen Abrechnungskurs. Erwirbt ein Anleger beispielsweise 100 Anteile zu diesem Kurs, so werden 100 neue Fondsanteile geschaffen. Es ist dann mehr Geld im Fonds, und von diesem Geld werden weitere Aktien gekauft. Umgedreht reduziert sich die Anzahl der Fondsanteile, wenn der Anleger 100 Anteile zurückgibt. Einen fortlaufenden Handel über die Börse gibt es in der Regel nicht.

    ETFs funktionieren etwas anders. Wie der Name schon sagt, werden die Anteile an der Börse (Exchange Traded) gehandelt. Investoren können also nicht nur einmal am Tag, sondern fortlaufend Anteile kaufen und verkaufen. Wenn sie kaufen, entstehen keine neuen Anteile! Anleger kaufen die ETF-Anteile von anderen Marktteilnehmern. Das können beispielsweise verkaufswillige Investoren oder Market Maker in diesem ETF sein. Wollen nun zu viele Anleger gleichzeitig verkaufen, entsteht ein Angebotsüberhang, was in der Folge fallende Kurse bedeutet, denn erst bei dem niedrigeren Kursniveau gleichen sich Angebot und Nachfrage wieder aus.

    Parallel dazu hat aber jeder ETF einen Nettoinventarwert, den Net Asset Value, kurz NAV. Er ist die Summe der im ETF enthaltenen Aktienpositionen, dividiert durch die Anzahl der ausstehenden Fondsanteile. Der NAV wird nur von den Kursen der enthaltenen Wertpapiere beeinflusst, nicht von Angebot und Nachfrage beim ETF selbst. In hektischen Marktphasen kann es nun zu Abweichungen zwischen NAV und Börsenkurs kommen.

    Arbitrage bei ETFs

    Damit NAV und Börsenpreis nicht zu sehr abweichen, gibt es einen Arbitragemechanismus. Es gibt einige große Marktteilnehmer, sogenannte Authorized Participants, die direkt mit der Fondsgesellschaft ETF-Anteile gegen Aktien (bzw. umgekehrt) tauschen können. Notiert, wie heute morgen, der ETF beispielsweise deutlich unter dem NAV, weil zu viele Anleger verkaufen wollen, erwerben solche Marktteilnehmer die ETFs. Sie tauschen diese Anteile dann in aller Ruhe gegen die enthaltenen Wertpapiere ein. Die Differenz zwischen Kaufpreis und NAV ist ihr Arbitrage-Gewinn. Sollte es in Boomphasen umgedreht laufen, gibt es ebenfalls Arbitrage. In diesem Fall geben die Authorized Participants der ETF-Fondsgesellschaft Aktien und erhalten ETF-Anteile. Diese ETFs verkaufen sie dann an der Börse und sorgen so für faire Preise. Im Großen und Ganzen sorgt dieser Mechanismus dafür, dass sich NAV und Börsenpreis immer wieder angleichen.

    Frau lacht mit Handy in die Kamera

    Wann kommt es zu Preisabweichungen bei ETFs?

    Zu Preisabweichungen bei ETFs kommt es vor allem in hektischen Marktphasen, und da vor allem im vor- und nachbörslichen Handel, denn zu diesen Zeiten sind die Umsätze oft geringer. Weiterhin kommt es bei eher exotischen ETFs und bei ETFs mit geringen Handelsvolumina zu solchen Abweichungen. Bei der oben beschriebenen Arbitrage versucht sich der Arbitrateur so zu positionieren, dass die Differenz zwischen NAV und Börsenkurs für ihn einen sicheren Gewinn bedeutet. Je einfacher das für ihn geht, desto seltener wird es zu großen Abweichungen kommen, denn auch unter den Arbitrateuren herrscht Wettbewerb.

    Lehren für Privatanleger

    Wichtig ist es, als Anleger diesen Mechanismus zu kennen und bei seinem Handeln zu berücksichtigen. Wie sollten wir uns also verhalten?

    1. Checkt gerade in turbulenten Handelszeiten die Kursbewegungen. Abweichungen wie oben dürfen nicht sein. Aber Ihr könnt auch die Kursveränderungen vergleichbarer ETFs auf gleiche Indizes checken. Achtet dabei aber darauf, dass Ihr gleiche Börsenplätze mit gleichen Handelszeiten verwendet. Ein Vergleich des einen Kurses auf Tradegate (schließt 22:00 Uhr) mit einer Kursveränderung auf Xetra (schließt 17:30 Uhr) führt beispielsweise zu falschen Schlussfolgerungen.

    2. Limitiert Eure Orders. In hektischen Märkten, wie wir sie heute gesehen haben, gibt es heftige Kurssprünge und manche Banken brauchen auch etwas, bis die Orders an der Börse sind. Daher nur limitiert ordern, damit Ihr nicht böse überrascht werdet.

    3. Handelt vor allem zu den Kernhandelszeiten der Heimatbörsen. Bei Welt-ETFs idealerweise im Zeitfenster 15:30 bis 17:30 Uhr, aber auch ab 9:00 Uhr, wenn Xetra offen ist, gibt es oft schon sehr enge Spreads.

    Natürlich könnt ihr versuchen, solche Verwerfungen auch auszunutzen. Ihr kauft also dann, wenn andere mehrheitlich verkaufen wollen und umgedreht. Ein solches Agieren ist aber eher was für kurzfristig orientierte Trader. Für langfristig orientierte Investoren sind fünf andere Punkte wichtiger. Diese habe ich im zweiten Teil eines Artikels genannt, bei dem ich einen Sparplan auf der MSCI World mit einem Sparplan auf den DAX verglichen habe.

    Frau lacht mit Handy in die Kamera

    Aufmacherbild erstellt mit Adobe Firefly.

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