Viele Anleger haben sich heute Morgen verwundert die Augen gerieben. Der TUI-Kurs war um bis zu 30 Prozent eingebrochen – was die meisten bis dahin noch nicht realisiert hatten: Der Wert ihrer TUI-Position hatte dennoch zugenommen. Den Grund hierfür und das Basiswissen zu Kapitalerhöhungen erfahrt Ihr in diesem Beitrag.
Einigung von Bund, Banken und privaten Investoren
Ihren Ursprung hatte die Aktion in der Anfang Dezember getroffenen Vereinbarung, dass die Gesellschaft ein Finanzierungspaket von 1,8 Milliarden Euro erhält. Dieses besteht zum einen aus einer Kapitalerhöhung (500 Millionen Euro), eine in Aktien wandelbare stille Einlage des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) über 420 Millionen Euro, einer nicht wandelbaren Einlage des WSF über 671 Millionen Euro und eine KfW-Kreditline über 200 Millionen Euro.
Hauptversammlung am 5. Januar 2021
Den rechtlichen Rahmen für den Einstieg des Bundes schaffte eine Hauptversammlung von TUI, die am 5. Januar 2021 stattfand. Diese beschloss zunächst einmal das Grundkapital (Mindestnennwert) je Aktie von 2,56 auf 1,00 Euro zu reduzieren. Gleichzeitig wurde beschlossen, 509 Millionen neue Aktien auszugeben.
Die Kapitalerhöhung
Nachdem am 5. Januar die Kapitalerhöhung nun beschlossen worden ist, haben die Aktionäre die Möglichkeit bekommen, neue Aktien zu kaufen. Und hier sehen die Bedingungen wie folgt aus: Für jede Aktie, die am Abend des 7. Januar 2021 im Depot lag, gab es am 8. Januar 2021 ein Bezugsrecht. Jeweils 29 Bezugsrechte berechtigen zum Kauf von 25 neuen TUI-Aktien zum Preis von 1,07 Euro. Dieses Recht kann in der Zeit vom 8. Januar 2021 bis zum 26. Januar 2021 ausgeübt werden.
Das Bezugsrecht
Nachdem die TUI-Aktie am Abend des 7. Januar in Xetra mit 5,44 Euro geschlossen hatte, und die neuen Aktien nur 1,07 Euro kosten, hat dieses Bezugsrecht einen Wert. Denn es darf nicht jeder neue Aktien zu 1,07 Euro kaufen, sondern nur die Inhaber von Bezugsrechten (also die bestehenden Aktionäre, falls sie das Bezugsrecht nicht verkaufen). Damit soll sichergestellt werden, dass jeder bestehende Aktionär die Chance hat, seinen prozentualen Anteil, den er an der Gesellschaft hält, weiter aufrecht zu erhalten. Der Wert des Bezugsrechts errechnet sich wie folgt:
Kurs alte Aktien: 5,44 Euro
Bezugspreis junge Aktien: 1,07 Euro
Bezugsverhältnis 29 zu 25 – für 29 alte Aktien darf man 25 junge beziehen
Rechnerisch hätte ein TUI-Kurs nach Bezugsrechtsabschlag von 3,42 Euro ergeben müssen -5,44 Euro für eine alte Aktie plus 25/29stel neue Aktien zu 1,07 Euro = 6,36 Euro verteilt auf 1,86 Aktien, die man nachher hat, macht einen Kurs von 3,42 Euro. Der rechnerische Wert des Bezugsrechts wäre damit 2,02 Euro (5,44 Euro minus 3,42 Euro). Der neue Kurs plus der Wert des Bezugsrechts ergibt den alten Kurs. Ein Nullsummenspiel – normalerweise.
Run auf TUI-Aktien
TUI hätte also mit 3,42 Euro eröffnen müssen und zu diesem Kurs hätte der Aktionär nichts gewonnen oder verloren gehabt, da er noch Bezugsrechte für 2,02 Euro besessen hätte. Doch was geschah? Viele Anleger fanden den Kurs optisch so billig und witterten die Chance ihres Lebens: TUI eröffnete mit 4,40 Euro. Der hohe Kurs trieb natürlich auch die Werte des Bezugsrechts: (4,40 Euro steht der Kurs aktuell minus 1,07 Euro Bezugspreis) x 25/29 (man braucht ja immer 29 Bezugsrechte für den Bezug einer Aktie) = 2,87 Euro. Plötzlich hatten die Anleger Aktien für 4,40 Euro und Bezugsrechte zu 2,87 Euro, macht zusammen 7,27 Euro im Depot und das obwohl TUI gestern mit 5,44 Euro geschlossen hatte. Macht einen Wertzuwachs von 33,6 Prozent über Nacht! Hieran seht Ihr auch: Mit einem Anstieg der TUI-Aktie steigt auch der Wert der Bezugsrechte – und umgekehrt.
Bezugsrechtshandel
Noch bis zum 22. Januar 2021 findet ein Handel in den Bezugsrechten (WKN TUAG10, ISIN DE000TUAG109) statt. Wenn Ihr Aktionäre von TUI seid, dann bekommt Ihr ein Formular in Eure Postbox und könnt dort angeben, wie Ihr verfahren wollt: Ihr könnt die Bezugsrechte ausüben und neue Aktien beziehen. Denkt dann daran, genug Geld für die neuen Aktien auf dem Konto zu haben! Ihr könnt die Bezugsrechte während des Bezugsrechtshandels aber auch verkaufen und zu Cash machen. In den meisten Fällen werden die Bezugsrechte nicht genau reichen um eine gerade Anzahl an Aktien zu erwerben. Daher könnt Ihr Bezugsrechte dazukaufen oder verkaufen, um auf eine gerade Aktienzahl zu kommen. Ergeben sich Restbeträge oder gebt Ihr der Bank keine Weisung, wird sie die Bezugsrechte am Ende des Bezugsrechtshandels verkaufen. Welche Gebühren hierfür anfallen, müsst Ihr bei Eurem Broker oder Eurer Bank erfahren. Erlöse aus dem Verkauf von Bezugsrechten sind abgeltungssteuerpflichtig.
Ein Hinweis für Kunden von Trade Republic: Hier sind die Bezugsrechte nicht separat handelbar, da die Bezugsrechte nicht auf der L&S Exchange gehandelt werden.
Kapitalverwässerung
Der Grund für die Ausgabe von Bezugsrechten liegt darin, das sonst der Kapitalanteil der Alt-Investoren, welche die Kapitalerhöhung nicht mittragen wollen, verwässert wird. Und genau das solltet Ihr künftig bei einem TUI-Investment beachten: Es stehen jetzt fast doppelt so viele Aktien aus wie früher und der Bund hat noch eine stille Beteiligung, die er wandeln kann! Also selbst wenn TUI mal wieder so viel wie zu besten Zeiten verdienen wird, dieser Gewinn ist auf extrem viel mehr Aktien zu verteilen. Wie das genau funktioniert, hab ich erst vor zwei Wochen in einem Beitrag am Beispiel Lufthansa erläutert.
PS: Meine Orders tätige ich in letzter Zeit vor allem über den Smartbroker. Wenn Du Dich für ein Depot beim Smartbroker interessierst, folge einfach dem Link*.