Lange Zeit galt bei vielen Firmen: Größe ist alles. Doch es hat ein Umdenken eingesetzt. Nach den erfolgreichen Spin-Offs von Siemens Healthineers und Siemens Energy, der Abtrennung Vitescos von Continental, ist nun Daimler an der Reihe. In wenigen Wochen wird die Truck & Bus-Sparte als Daimler Truck Holding AG abgespalten. Die verbleibende Auto-Sparte wird kurze Zeit danach in Mercedes Benz Group AG umbenannt. Ich erkläre, warum es zu solchen Aufspaltungen kommt, was das für Aktionäre der Daimler AG bedeutet, ob sich damit Geld verdienen lässt und welchen anderen Unternehmen noch eine Aufspaltung bevorsteht.
Daimler – das ist eine Geschichte des gescheiterten Größenwahns. Bereits in den 1980er-Jahren wollte der damalige Vorstand Edzard Reuter aus Daimler einen „integrierten Technologiekonzern“ formen. Es wurden AEG, MTU, Dornier und Fokker gekauft. Das Vorhaben ging schief. Sein Nachfolger Jürgen Schrempp bereinigte das Portfolio, um anschließend sich an Chrysler und Mitsubishi zu verheben. Dieter Zetsche führte dann bis 2019 Daimler wieder zu alter Stärke. Und der jetzige CEO Ola Källenius geht mit der Aufspaltung in zwei Firmen noch einen Schritt weiter.
Die Grundlage hierfür wurde bereits im Jahr 2019 durch eine Umstrukturierung des Konzerns gelegt. Damals entstand die Mercedes-Benz AG, die das Geschäft mit Pkw und Vans beinhaltet, die Daimler Truck AG, in der Lkw und Busse gebündelt sind, sowie die Daimler Mobility AG, in der Finanz- und Mobilitätslösungen (Finanzierung, Leasing, Flottenmanagement, Carsharing) gebündelt sind.
In Vorbereitung des Spin-Offs wurde in mehreren Schritten nun eine neue Struktur in der Daimler-AG geschaffen. Aktuell sieht es noch wie folgt in der Daimler AG aus:
Als Aktionär hält man Aktien der Daimler AG. Diese ist wiederum an den verschiedenen Teilgesellschaften zu 100 Prozent beteiligt. Im Zuge des nun anstehenden Spinn-Offs der Daimler Truck Holding AG erhält jeder Aktionär der Daimler AG für jeweils zwei gehaltene Daimler-Aktien eine Aktie der Daimler Truck Holding AG. Gleichzeitig behält er allerdings seine Daimler-Aktien auch. Unter sonst gleichen Umständen sollte vor und nach dem Spinn-Off die Summe des Wertes seiner Aktien gleich sein, wie das Rechenbeispiel in der Grafik zeigt:
Wann muss ich Aktien von Daimler haben um am Spin-Off teilzunehmen?
Der Spin-Off wird am 10. Dezember 2021 vollzogen. An diesem Tag werden die neuen Aktien der Daimler Truck Holding AG erstmals an der Börse notiert. Damit Du Aktien aus dem Spin-Off bekommst, musst Du am Abend des 9. Dezember 2021 Aktionär der Daimler AG sein.
Warum fällt der Kurs von Daimler?
Diese Frage werden sich zahlreiche Daimler-Aktionäre am Morgen des 10. Dezember stellen. Die Erklärung ist denkbar einfach: Sowohl vor als auch nach dem Spin-Off ist der Wert an Unternehmensanteilen der gleiche. Vorher waren diese Werte komplett in Daimler-Aktien verbrieft, nachher sind die unternehmerischen Werte auf zwei Gesellschaften – auf die Daimler AG, die ab 1. Februar 2022 dann als Mercedes Benz Group AG firmieren wird, und auf die Daimler Truck AG – verteilt. Statt zwei alten Daimler-Aktien hält der Anleger nachher Daimler (künftig Mercedes Benz Group)-Aktien und eine Aktie der Daimler Truck Holding AG. In der Berechnung oben habe ich mal einen Kurs von 36 Euro pro Daimler Truck-Aktie angenommen. Wo die beiden Kurse am Ende am 10. Dezember landen werden, steht in den Sternen. In Medienberichten war von bis zu 40 Milliarden Euro Marktkapitalisierung für Daimler Truck Holding AG die Rede. Das halte ich angesichts der Bewertung des Wettbewerbers Traton (11 Milliarden Börsenwert) für überzogen, so dass ich im Beispiel von 30 Milliarden Euro ausgegangen bin.
Wie ist die steuerliche Behandlung des Spin-Offs der Daimler Truck Holding AG?
Eine spannende Frage ist bei solchen Transaktionen immer, wie die steuerliche Behandlung ist. Gerade bei ausländischen Spin-Offs habe ich erlebt, dass es von Broker zu Broker unterschiedlich ist und auch von der rechtlichen Konstruktion abhängt. Im Fall von Daimler schafft der Abspaltungs- und Ausgliederungsbericht weitgehend Klarheit. Auf Seite 177 (#709) heißt es dort: „Soweit die Daimler-Aktien zum Privatvermögen gehören und der Aktionär nicht die Voraussetzungen des § 17 EStG erfüllt, ist die Abspaltung steuerneutral, d. h. es kommt
nicht zur Realisierung steuerpflichtiger Kapitalerträge, sofern insbesondere das Recht
der Bundesrepublik Deutschland an der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung
der Aktien der Daimler Truck Holding AG weder ausgeschlossen noch beschränkt wird
(§ 20 Abs. 4a Satz 7 EStG). Folglich ist auch keine Kapitalertragsteuer einzubehalten
und abzuführen.“ Weiter heißt es: „Die bisherigen Anschaffungskosten der Daimler-Aktien wären danach im Verhältnis zwei zu eins auf die Daimler-Aktien und die Aktien der Daimler Truck Holding AG aufzuteilen.“ Weiter heißt es: „Soweit die Daimler-Aktien vor dem 1. Januar 2009 erworben wurden und somit zwischenzeitlich wegen des Ablaufs der früher geltenden sog. „Spekulationsfrist“ steuerfrei veräußert werden könnten, sollte diese Eigenschaft unter Zugrundelegung eines Schreibens des BMF vom 18. Januar 2016 (Tz. 100) auf die bei der Abspaltung gewährten Aktien der Daimler Truck Holding AG übergehen.“ Wer also noch vor dem 1. Januar 2009 erworbene Daimler-Aktien hat, dessen Kursgewinne mit den Aktien von Daimler und von der Daimler Truck Holding AG sind dann auch in Zukunft steuerfrei.
Wird die Aktie der Daimler Truck Holding AG in den DAX aufgenommen?
Mit einem Börsenwert von um die 30 Milliarden Euro ist die Daimler Truck Holding AG, die im Übrigen im Lkw-Segment der Weltmarktführer ist, in einer Größenordnung, die für eine Aufnahme in den DAX 40 qualifiziert. Mit einer Aufnahme in den DAX ist im ersten Quartal 2022 zu rechnen.
Wie bildet man den Spin-Off in Portfolio Performance ab?
Am einfachsten bucht man die Hälfte des ersten Kurses der Daimler Truck Holding AG als steuerfreie Ausschüttung und die Einbuchung der Aktien dann zum gleichen Kurs als Kauf.
Was passiert, wenn ich eine ungerade Anzahl an Daimler-Aktien habe?
Laut Ziffer 537 des Abspaltungs- und Ausgliederungsberichtes heißt es, dass die Möglichkeit geboten wird, Teilrechte zu „überschaubaren Barbeträgen“ zu erwerben, um auf ganze Aktien zu kommen.
Wird die Daimler Truck Holding AG ihren Aktionären eine Dividende zahlen?
Die Daimler Truck Holding AG hat angekündigt, die Dividendenpolitik von Daimler fortzuführen und rund 40 Prozent des Gewinns an die Aktionäre auszuschütten.
Profitieren Derivate vom zu erwartenden Kursrückgang der Daimler-Aktien?
Mit Derivaten lässt sich nicht vom Kursrückgang der Daimler-Aktien infolge des Spin-Offs profitieren. Optionsscheine, Knock-Out-Produkte und Zertifikate, die bereits am Markt emittiert sind, werden sich künftig auf einen Korb aus einer Daimler-Aktie und einer halben Daimler Truck Holding AG-Aktie beziehen. Basispreise, Bezugsverhältnisse und andere Kennziffern bleiben unverändert.
Sind die Aktien der Daimler AG und der Daimler Truck Holding AG ein Kauf?
Ich finde, es kommt auf den Anlagehorizont an. Dazu einige Grafiken. Schaut man sich andere Spin-Offs einmal an, so stellt man fest, dass die Aktien vor und nach dem Spin-Off sich oftmals besser als der Gesamtmarkt entwickeln. Das hängt damit zusammen, dass die Firmen nach einer Trennung sich oftmals dynamischer entwickeln können sowie am Aktienmarkt spezialisiertere Firmen oftmals eine höhere Bewertung erhalten. Sehr schön zu sehen war dies beim Spin-Off von Siemens Energy von der Siemens AG im vergangenen Jahr:
Während der ersten neun Monate 2020 entwickelten Siemens und der DAX Kursindex sich weitgehend parallel (ich habe hier den Kursindex genommen, da während der Betrachtungszeit bei Siemens zwei Mal Dividenden gezahlt worden sind). Ab dem Spin-Off lieferte das Paar bestehend aus Siemens und einer halben Siemens Energy (auch damals gab es für zwei Siemens-Aktien eine Siemens Energy) deutlich besser. Daimler hat hier schon etwas vorweggenommen, wie wir im nachfolgenden Chart sehen:
Rund eineinhalb Wochen bevor die Hauptversammlung, die über die Abspaltung der Truck-Sparte beschloss, am 1. Oktober 2021 stattfand, begann die Daimler-Aktie sich bereits deutlich besser als der DAX zu entwickeln. Diese Outperformance könnte durchaus bis zum Spin-Off am 10. Dezember oder vielleicht sogar darüber hinaus anhalten. Es dürfte auch davon abhängen, welche Bewertung der Markt der Daimler Truck Holding AG zubilligt. Für kurzfristig orientierte Anleger bietet sich hier also durchaus eine Chance. Doch wie sieht es mit langfristig orientierten Buy and Hold-Anlegern aus. Hierzu habe ich auf der Homepage von Daimler eine hochinteressante Darstellung gefunden. Es lässt sich ein Chart generieren, der die Performance der Daimler-Aktie inklusive reinvestierter Dividenden für die letzten 23 Jahre zeigt.
Die Daimler-Aktie bringt es auf eine jährliche Rendite von 1,18 Prozent. Rechnet man die gezahlten und wieder angelegten Dividenden mit ein, so ergibt sich eine Rendite von immerhin 5,22 Prozent. Das ist allerdings immer noch 1,50 Prozentpunkte pro Jahr weniger als der DAX im gleichen Zeitraum erzielt hat. Und der DAX liegt im internationalen Vergleich weit hinter Indizes wie dem S&P 500 oder dem MSCI World oder dem FTSE All-World zurück. Klar ist das keine Garantie, dass Daimler sich auch künftig schlechter entwickeln wird, aber der Chart zeigt eines sehr schön: Daimler – und auch in Zukunft Daimler Truck – hat ein zyklisches Geschäft. In Rezessionen und Krisen trifft es diese Unternehmen immer besonders hart. Das sind keine Buy-and-Hold-Aktien. Wer es mag, Zykliker zu traden, muss Nerven wie Stahlseile haben, in der Krise zuschlagen und sich trennen können, wenn die Perspektiven rosig aussehen und die Bewertung vermeintlich günstig ist. Das ist nicht meine Anlagestrategie. Wer mehr über meine Anlagestrategien wissen möchte, dem empfehle ich den verlinkten Beitrag.
Wer gerne frühzeitig von möglichen Spin-Offs profitieren möchte, der sollte sich mal zwei Werte ansehen: BASF hatte schon mehrfach den Anlauf genommen seine Öl- & Gas-Tochter Wintershall DEA entweder als Spin-Off oder als direkten Börsengang gegen Cash an die Börse zu bringen. Wird der Chemieriese die Abspaltung durchziehen, dürfte das den Kurs beflügeln. Der zweite Wert ist General Electric. Der gestrauchelte US-Konzern wird in den kommenden Jahren in drei einzelne Gesellschaften, GE Healthcare, GE Aviation sowie GE Renewable Energy, Power, Digital, zerschlagen. Mastermind hinter diesem Plan ist der ehemalige Danaher-CEO Larry Culp.
Kleine Anekdote noch zum Schluss: 2009 griff Daimler Tesla rettend unter die Arme und erwarb 9,1 Prozent an Tesla. Ein paar Monate später verkaufte Daimler einen Teil an den Staatsfonds Aabar aus Abu Dhabi. Die restlichen vier Prozent verkaufte Daimler nach dem Börsengang für 780 Millionen Dollar. Wert heute: fast 40 Milliarden Dollar. Daimler selbst ist nur 94 Milliarden Dollar wert.
Bildquelle Aufmacherbild: Daimler AG
Hallo,
ich möchte das Daimler Spin-Off in Portfolio Performance (PP) umsetzen und verstehe den folgenden Abschnitt leider nicht ganz.
„Wie bildet man den Spin-Off in Portfolio Performance ab?
Am einfachsten bucht man die Hälfte des ersten Kurses der Daimler Truck Holding AG als steuerfreie Ausschüttung und die Einbuchung der Aktien dann zum gleichen Kurs als Kauf.“
Daher die Frage, ob die Umsetzung in PP evtl. etwas konkreter anhand von zum Beispiel einer Einbuchung von 10 Daimler Truck Aktien beschrieben werden könnte.
Danke & Gruß
Philipp
Hallo Philipp,
wenn Du 20 Daimler-Aktien hast, dann bekommst Du 10 Daimler Truck. Erster Kurs war um die 30 Euro. Nehmen wir diese für die Buchung.
Du hast zwei Daimler für eine Daimler Truck gebraucht. Damit buchst Du 20 x 15 Euro = 300 Euro steuerfreie Sonderdividende bei Daimler und im zweiten Schritt buchst Du 10 Daimler Truck zu je 30 Euro = 300 Euro Einstandswert. Am Ende bleibt das ganze cashneutral und Du hast es auf zwei Positionen aufgeteilt.
Weitere Infos gibt es auch im Forum von Portfolio Performance: https://forum.portfolio-performance.info/t/abbildung-spin-off-und-verkauf-der-spitze/5283
Hoffe, das hilft Dir weiter.
Schöne Grüße
Matthias