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    TUI erneut mit Kapitalerhöhung – mit großem Einfluss auf das Vermögen der TUI-Aktionäre

    Nach dem Reverse-Split folgt nun beim Tourismuskonzern erneut eine Kapitalerhöhung – und die hat es in sich. Die kleineren Aktionäre schnappen sich vom russischen Großaktionär Alexey A. Mordaschow ein Stück des Kuchens.

    TUI hat in einer Ad-hoc gemeldet, dass sie zwischen dem 28. März und 17. April 2023 eine Kapitalerhöhung durchführt. Insgesamt werden rund 329 Millionen neue Aktien zu einem Preis von 5,55 Euro je Aktie angeboten. Das ist deutlich günstiger als der aktuelle Börsenkurs von rund 15,72 Euro. Aus diesem Grund erhalten Aktionäre auch ein Bezugsrecht. Für je 3 gehaltene TUI-Aktien dürfen Aktionäre gleich 8 neue Aktien beziehen. Während TUI aktuell bei 15,72 Euro steht, gibt es die neuen Aktien zum Schnäppchenpreis von 5,55 Euro. Jeder, der zu Börsenschluss am 27. März 2023 Aktionär war, erhält das Bezugsrecht und erleidet daher (auch wenn der Aktienkurs am 28. März deutlich niedriger aufmacht) zumindest theoretisch keinen Verlust, da er Bezugsrechte erhält. Im Gegenteil – sein Anteil am Unternehmen sollte steigen, wenn er die Bezugsrechte ausübt.

    Wie eine solche Kapitalerhöhung vom Grundprinzip her funktioniert und welche Optionen Ihr habt, das habe ich bereits vor gut 2 Jahren schon mal am Beispiel TUI in einem eigenen Artikel beschrieben. Die Funktionsweise ist diesmal die gleiche, nur gibt es einen gravierenden Unterschied: Mordaschow bekommt keine Bezugsrechte, alle anderen Aktionäre schon. Da der Preis der neuen Aktien mit 5,55 Euro nun massiv günstiger ist als die 15,72 Euro zum Xetra-Schluss vor dem Bezugsrechtsabschlag, wird Vermögen quasi von Mordaschow zu den restlichen Aktionären umverteilt.

    Am besten lässt sich das zeigen, indem man den theoretisch fairen Wert einer TUI-Aktie nach dem Bezugsrechtsabschlag berechnet. Aus Sicht unseres Aktionärs, und wenn alle Anleger gleichberechtigt zeichnen dürften, sieht die Rechnung wie folgt aus: Er besitzt 3 Aktien, die aktuell je 15,72 Euro wert sind. Gleichzeitig berechtigt dies dazu, 8 neue Aktien zu je 5,55 Euro zu beziehen. Wenn er alle 8 Aktien bezieht, hat er 11 Aktien und dafür dann 91,56 Euro (errechnet aus 3 x 15,72 plus 8 x 5,55) bezahlt. Das entspricht dann 8,32 Euro je Aktie.

    Wie sieht die Verteilung der Werte nun aus, wenn wir diese Berechnung für alle Aktien des Unternehmens, also auch der Aktien, die von Mordaschows beiden Beteiligungsgesellschaften gehalten werden und für die es keine Bezugsrechte gibt, durchführen:
    Die beiden Beteiligungsgesellschaften besitzen 55.179.167 Aktien. Bei 15,72 Euro haben diese einen Wert von 867,4 Millionen Euro.
    Die restlichen Aktionäre besitzen vor der Kapitalerhöhung 123.341.418 Aktien. Bei 15,72 Euro ergibt sich ein Wert von 1,9389 Milliarden Euro.
    Die restlichen Aktionäre dürfen 328.910.448 Aktien zu 5,55 Euro beziehen. Das ergibt einen Wert von 1,8254 Milliarden Euro, den sie einzahlen (abzüglich Gebühren fließen dann ca. 1,75 Milliarden Euro in die Firmenkasse und dienen zum Abbau der Schuldenlast).
    Rechnen wir nun zusammen: Sie Summe der drei Positionen ergibt 4,6317 Milliarden Euro für 507.431.033 Aktien oder 9,13 Euro je Aktie.

    Was heißt das nun? Die Unternehmenswerte haben sich so verschoben, dass rechnerisch jede Aktie nach Durchführung der Kapitalerhöhung ceteris paribus 9,13 Euro kosten müsste. Aber für jeden Aktionär – außer die für die beiden Beteiligungsgesellschaften von Mordaschow – stellt sich die Lage so, dass sie ceteris paribus nur 8,32 Euro in Summe bezahlt haben. Werte von 0,81 Euro je Aktie wurden quasi von Mordaschow zu den anderen Aktionären von TUI „verschoben“. Die Kuchenstücke der anderen Aktionäre wachsen, während Mordaschows Anteil von einst 30,91 auf 10,87 Prozent schrumpft.

    Da mit 328,9 Millionen Aktien fast doppelt so viele Aktien auf den Markt kommen wie bisher vorhanden sind (178,5 Millionen), kann es heute nach dem Bezugsrechtsabschlag zu sehr wilden Kurskapriolen kommen. Aber gerade hier ist eine Berechnung, wie oben gezeigt, wichtig, um zu ermitteln, welchen Wert die Anteile haben.

    Interessanterweise verwendet die Terminbörse Eurex bei der Berechnung des R-Faktors, der für die Korrektur von Derivaten erforderlich ist und den die meisten Derivate-Emittenten für die Anpassung ihrer Produkte verwenden, die Daten aus der Kapitalerhöhung (8 neue für 3 alte zu 5,55 Euro) und lässt außen vor, dass Mordaschow kein Bezugsrecht bekommt. Damit kommt die Eurex auf einen R-Faktor von 0,52949 statt auf 0,58065 – ein gravierender Unterschied. Meiner Ansicht nach dürfte das für Inhaber von TUI-Long-Derivaten über Nacht einen Windfall-Profit ergeben haben. Aber dazu muss der TUI-Kurs heute noch mitspielen.

    Ich hoffe, dass ich mit diesem Beitrag (auf die Schnelle, bin derzeit ziemlich Land unter mit meinen Auktionen für Historische Wertpapiere) etwas Licht ins Dunkel gebracht und zum eigenen Denken über Preis und Wert etwas angeregt habe.

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    1 Comment

    1. Supersauber erklärt. Ich bin zuvor dran gescheitert, dass ich die nicht zugelassenen Aktien nicht bei der Berechnung außen vorgelassen habe und hab gedacht ich kapiers nicht. Aber so alles gut und ich bin beruhigt. Danke!

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